
Ach ja: Die Küche ist jetzt auch fertig. Danke, Papa und Doris!
Tschüss Kopf. Tschüss Verstand. Ihr könnt später wiederkommen.
Das schönste Wort, das ich im Sprachkurs hier gelernt habe, ist eindeutig tiquismiquis, ausgesprochen /’tikis’mikis/. Man verwendet es, um eine Person zu beschreiben, die sich ein wenig pingelig und wunderlich verhält, sich ein kleines bisschen anstellt, das Ganze aber durchaus irgendwie liebenswert meint. Tiquismiquis, das nehme ich sofort in meinen Wortschatz auf.
wohl unbrauchbarste Vokabeln: el tobillo, das Fußgelenk - sollte ich einen schlimmen Unfall beim Fußballspielen haben (sehr unwahrscheinlich; ich spiele kein Fußball) oder beim Berg-Montserrat-Erklimmen selten ungeschickt über eine Baumwurzel stolpern (schon ein bisschen wahrscheinlicher), werde ich dieses Wort wohl bis an mein Lebensende nicht mehr brauchen. Gelernt haben wir auch: decongelacion, Schneeschmelze. Ich werde daran denken, sollte ich demnächst Andalusien besuchen oder einen Flug auf die kanarischen Inseln buchen.
Anzahl der erlernten Vokabeln:676 - nicht so schlecht für 75 Stunden Unterricht, finde ich. Allerdings: “erlernt” ist natuerlich relativ…
schönster U-Bahn-Station-Name: Urquinaona in der Stadtmitte (weil auch nach drei Wochen nicht unfallfrei aussprechbar)
treffendste Wortneuschopfung: “El Paseo de la Muerte” - für den Metro-Verbindungs-Gang zwischen den Linien 4 und 3 am Passeig de Gracìa. Das Copyright liegt bei den Italienerinnen Tiziana und Chiara aus meinem Kurs, die diesen Gang täglich auf dem Weg zur Schule entlanglaufen mussten und jedesmal Gefahr liefen, in der stickigen, hitzigen Luft schon am frühen Morgen zu Boden zu gehen.
Fähigkeit, die man nicht genug wertschätzen kann, wie ich seit Neuestem finde: die richtige Einstellung und Justierung einer Klimaanlagen. Diese vermaledeiten Viecher ließen entweder Ganzkörper-Gänsehaut entstehen oder, wenn man sie daraufhin wieder runterregelte, es stand die warme, schlechte Luft im Raum - kein Wunder, dass viele in unserer Sprachschule mit Schals rumliefen, Halstabletten neben ihren Spanisch-Büchern liegen hatten und Stimmen hatten, die die Bezeichnung Stimme schon nicht mehr verdienten.
Farbe meines Ärgers über völlig sinn- und nutzlos mit nach Barcelona geschlörte drei Pullover, zwei langärmlige Shirts und eine Jeans-Jacke: schwarz
Lieblings-Mitschüler: Lewis aus England. Ich mag es ja, wenn Menschen zu ihren Schwächen stehen. Und Lewis stand geradezu entwaffnend offen zu seinen. Und das Beste: Wenn wir über ihn lachten, dann immer mit ihm. Lewis brachte es fertig, sich die ganze erste Woche (ehrlich gesagt bekam er es auch in der zweiten noch nicht auf die Reihe...) nicht merken zu können, was auf Spanisch heißt “Wie sagt man xy auf Spanisch?” Also wandte er sich jedesmal hilfesuchend an seine ebenfalls am Kurs teilnehmende Freundin Sarah: “How do I say ‘How do I say’?” - und der Kurs antwortete im Chor: “ Cómo se dice...!!” Im Fragen war Lewis ohnehin groß: “¿Qué significa ‘garaje’?, wollte er einmal die Bedeutung einer Vokabel in einem Text wissen. Lewis, vielleicht mal ein bisschen die Fantasie spielen lassen? Welchem englischen Wort ähnelt garaje wohl fast zum Verwechseln? Ob das was mit Autos zu tun haben könnte??
Lewis war es auch, der ("I’m always confused with the words for kitchen and for toilets!” - “Ich verwechsele immer die Wörter für Küche und Toilette!") ständig, wenn wir in einer Strandbar hockten, im falschen Raum landete, wenn er mal für kleine Jungs musste. Lewis aber war es auch, der manchmal geniale Beiträge zum Unterrichts-Spaß brachte: Als uns Lehrerin Maite neulich erklärte, dass anzünden im Spanischen encender heiße und sie in die Klasse fragte, ob jemand denn auch das Wort für die gegenteilige Aktion wisse, da war Lewis derjenige, der zuerst eine Antwort hatte: “Agua!” - “Wasser!” Wo er Recht hat, hat er Recht.
Job, den ich niemals in Barcelona machen möchte: Inventur bei der Mülleimer-Verwaltungs-Stelle. Ich habe noch nie so viele Mülleimer in einer Stadt gesehen wie hier. Allein an jeder - jeder! - Straßenkreuzung stehen acht. Dazwischen sind auch noch welche, rund um Touristen-Sammelpunkte wie Sagrada Familia, Parc Guëll oder die Plaça de Catalunya stolpert man beinahe über die Dinger, und die Wagen der BCNeta - nettes Wortspiel aus der Abkürzung für Barcelona BCN und neta, der katalanischen Vokabel für ‘sauber’, sowie dem Namen des dem Meer zugewandten Stadtteils Barceloneta - sind aus dem Straßenbild nicht wegzudenken. Auch am Strand muss man nirgendwo mehr als 20 Schritte gehen (höchstpersönlich von mir ausgemessen und verifiziert), um seine Apfelkippe und seine leere Wasserflasche wegzuschmeißen.
Fazit: Reisen Sie nach Barcelona! Vergessen Sie die sündhaft teure Kaffeemaschine des edel-italienischen Herstellers, die Sie anzuschaffen gedachten. Sparen Sie sich das neue Auto! Essen Sie halt nur noch Brot mit Margarine, aber: Reisen Sie nach Barcelona!
Vielleicht haben Sie danach auch eine neue Lieblingsstadt. So wie ich.
Schließlich buhlt das ans Stadion angeschlossene “Museu del Futbol Club Barcelona” mit dem Picasso-Museum um die meisten Besucher, verkaufen sie doch beide jedes Jahr an die eine Million Eintrittskarten. Eins kann ich mal sagen: Noch nie wurde vor den Kassen so gedrängelt wie vor dem FCB-Museum. Als hätte die Besucher ein geheimer Antrieb und Nervenkitzel erfasst, der sie ihren Vordermännern auf die Füße trampeln und rumschubsen liess. Aber was sage ich - hier geht es ja auch um nichts Geringeres als Fußball.
Bilder einer Passion
Besser gesagt um “Més que futbol”, mehr als Fußball, wie eine Foto-Ausstellung berühmter Barça-Fußballfotos im Museum überschrieben ist. Bilder einer Passion (katalanisch: ‘Imatges d’una passio’) zeigt diese Ausstellung - und wer wollte nicht mal das Trainingslager der FC-Barcelona-Mannschaft in Finnland im Jahr 1966 sehen? Oder wie Michael Schumacher im Mai 2005 Fußball spielt? Ein Foto von 1928 zeigt, was heute elektronisch-vollautomatisch geschieht: Ein Mann trägt eine handbeschriebene Kreidetafel durchs Stadion; zu lesen ist: BCN (=FC Barcelona) 1 - Real (= Real Madrid) 0. Das Museum hat aber noch mehr zu bieten. Ich bin zum Beispiel erstaunt darüber, wie wenig sich das Trikot der Barça-Boys in all den Jahren seit Clubgründung (29.11.1899) verändert hat: Die blauen und weinroten (katalanisch: blau-grana) Streifen scheint jemand schon 1920 mit Perwoll gewaschen zu haben, und auch das Design ist zeitlos (schön).
Jetzt lerne ich auch endlich mal Ladislao Kubala kennen. Ich weiß, dieser Satz bringt mir jetzt wieder vorwurfsvolle Blicke und abfällige Bemerkungen meiner fußballbewanderteren Freunde ein. “Wie, du kanntest Ladislao Kubala, den ungarischstämmigen Fußballspieler, der 1950 der bestbezahlte Mann vom FC Barcelona war, vorher nicht? Schäm dich!”, höre ich sie schon rufen.
Von der Wichtigkeit der Sportarten
Dafür kann ich am nächsten Tag in der Schule mit Fachwissen glänzen - was man so Fachwissen nennt. “Did you know there is a game they call something like ‘Handball’?”, fragt mich allen Ernstes Mitschüler Lewis aus England, der ebenfalls das Camp Nou besucht hat. Ob ich gewusst habe, dass es so ein Spiel namens Handball gebe?! Ich erkläre ihm schnell die Basics: wie viele Spieler, wie viele Tore und wie viele Halbkreise für ein Handballspiel nötig sind. So unterschiedlich wichtig sind die Sportarten in Europa…
Wer ist eigentlich Kubala?
Tatsächlich habe ich nicht gewusst, dass der FC Barcelona auch eine taugliche Eislauf-Abteilung hat. Und ich kannte vorher Kicker-Geräte nur für die Simulation von Fußballspielen. Es gibt aber auch solche für Hand- und Basketballspiele (mit bewegbaren Bodenplatten!). Weitere kuriose und bunt zusammengestellte Objekte: Die Original-Taschenuhr des Schweizer (!) Clubgründers Hans Gamper. Und eine Auflistung aller rund 1600 Fanclubs - zwei gibt es auch in Deutschland: einen in Berlin und die “Barcelonista Knittlingen”. Ein ganzer Raum voller Trophäen, Medaillen, Auszeichnungen und Cups - für die Hardcore-Fans.
Am Ende des Museumsbesuchs geht buchstäblich kein Weg vorbei am Shop - raus geht’s nur durch die “FCBotiga”. Ein Katzenkorb mit FCB-Emblem gefällig? Lieber in Blau oder lieber in Weinrot? Oder darf es vielleicht der Barça-Kühlschrank sein? Eine Taschentücher-Hülle in Clubfarben? Badelatschen mit Ronaldinho-Anlitz? Vom üblichen Sammler-, Jäger- und Fan-Equipment (Unter- und Bettwaesche, Kulis, Lollis, Trinkgefässe) mal ganz zu schweigen…
Internationale Werte
Eine Frage bleibt offen: Der FC Barcelona stehe seit jeher für die katalonischen Werte, informiert eingangs eine Tafel über die Club-Philosophie. Was immer die sein mögen - aber diese Werte möchte ich doch gerne mal von einem Spieler wie Samuel Eto’o (Herkunft: Kamerun) oder einem Deco (aus Brasilien) persönlich erklärt haben.
Wirklich, an den Stränden von Barcelona wird nicht so viel träge dahingefaulenzt, wie ich das von anderen Stränden kenne. Volleyball-Netze sind kreuz und quer gespannt, Fußballer scheinen die WM nachspielen zu wollen, auf der Strandpromenade gleiten die Inline-Skater dahin, dass mir beim Gedanken an die Sandkörner, die sie sich so in die Kugellager rollen, die Tränen kommen, Tischtennis-Platten am Strand-Rand sind dicht umlagert, und wenn es Abend wird, ist hier erst recht die Luzie los, wenn die Läufer kommen.
Fast wie Wald
Läufer sind dabei sogar auch mitten in der Stadt unterwegs: Die Hauptverkehrsader Avinguda Diagonal zum Beispiel hat einen Mittelstreifen, auf dem ein paar Bäume stehen - ja Mensch, das ist doch schon fast Wald; da kann man doch laufen, auch wenn hüben wie drüben tausendfach die Abgasschleudern vorbeibrausen! Auch Fahrräder sind viel gesehene Verkehrsmittel - und das, wo Barcelona wie wohl jede Großstadt auch eine Autostadt ist und wenig extra für Radfahrer ausgewiesene Wege, dafür umso mehr Gefahren vorhanden sind. Nichtsdestotrotz radeln sie gerne und viel durch ihre Stadt, die Barcelonesen, genau wie Inlineskater nicht vor den engen Gassen des Barri Gòtic Halt machen. Ebenfalls hier nicht aus dem Straßenbild wegzudenken: Skateboarder. Dass sie den Vorplatz des Museu d’Art Contemporani als Übungsfläche und die Treppenstufen als Ramps nutzen, hat der Architekt des Gebäudes, Richard Meier, sicher auch nicht so geplant.
Ich will auch!
Bei so viel Beweg- und Sportlichkeit werde ich auch ein wenig wehmütig, schnüre ich zu Hause doch regelmäßig die Turnschuhe. Aber Laufen, das gehört für mich auf die Schotterwege des Rombergparks in Dortmund, auf den Rundweg A7 in der Haard, dem Waldgebiet am nördlichen Ruhrgebietsrand, oder auf den Uferweg am Kemnader See in Bochum. Laufen hier, in der Millionen-Metropole?
Keine Ruhe mehr in den Beinen
Jetzt ließ mir Laufdrang und Entdeckergeist aber keine Ruhe mehr, ab in die Metro, rausgehüpft an der Haltestelle Barceloneta unten am Strand. Ich habe vorsichtshalber (die Hitze!) die Zeit gewählt, zu der die sonntäglichen Badegäste gerade die Luft aus ihren Schlauch-Booten lassen, die Sonnenmilchtuben einsammeln und den Kindern den Sand von den Beinen duschen. Lustig geht’s los, am Touristen-Strand Playa de Sant Sebastià entlang. Schön warm ist es immer noch, 27 Grad. Schwupp, da bin ich schon am nächsten Playa, Nova Icarìa. Langsam kommt die Pulsuhr auf Touren. Apropos Pulsuhr. So einen Schnickschnack brauchen die Jogger hier offensichtlich nicht. Niemand rennt damit, und auch Wasserfläschchen, wie sie sich Läufer in Deutschland um die Hüfte schnallen, sehe ich hier nirgends. Statt dessen rennen sie mit hängender Zunge und gerötetem Kopf, aber mit zufriedenem Grinsen im Gesicht durch die Gegend. Ob das was mit der deutschen Übervorsichtigkeit zu tun hat?
Missbrauch von Berühmtheiten
Noch ein paar Schritte, dann laufe ich am Peix d’Or entlang, der fischförmigen Skulptur von Star-Architekt Frank Gehry. Ein bisschen dekadent ist das schon, denke ich bei mir, als ich links die Edel-Yachten im Sportboot-Hafen liegen sehe und bald darauf links das moderne, architektonische Highlight der Stadt, der Büroturm Torre Agbar, in der Ferne schimmernd sichtbar wird: Den Weg entlang an berühmten Gebäuden und Sightseeing-Objekten, zu denen Menschen aus aller Welt pilgern, einfach so als Laufstrecke zweckzuentfremden…
Jetzt gibt’s Abendessen
Der Geruch von Olivenöl und Knoblauch reißt mich aus den Gedanken: Jetzt kommt der Strandabschnitt, an dem so viele Restaurant sind und wo jetzt die Abendessenszeit beginnt. Mmh, lecker. Ein Lauf für die Sinne. Einer mehr wird am Strand Mar Bella angesprochen, wo sich die Nackedeis tummeln, und wo aus jeder Strandbar eine andere Musiksorte zu hören ist: chillige Klänge, stampfenden Rhythmen, HipHop-Beats.
Könnte ich mich dran gewöhnen
Ich könnte mich dran gewöhnen an diese Laufstrecke, so schön Rombergpark, die Haard und der Kemnader See auch sind. Allerdings: Ich zweifle mittlerweile ein bisschen daran, ob das tatsächlich die eingeborenen Barcelona-Bewohner sind, die hier laufen. Der vorhin, mit dem T-Shirt, auf dem “Tintin Istanbul” stand - wenn das nicht ein französischer Austausch-Student mit einer Vorliebe für den Comic-Helden Tintin ist. Und die Aufschrift “Abschlussfahrt ‘06 - Voll toll!” auf dem Dress eines anderen Lufers gibt mir doch auch zu denken. Wenn da mal nicht eine Fußballmannschaft auf Tour ist. Elendig, diese Touristen berall… und ich mitten unter ihnen.
P.S.: Heute Vormittag war ich auf dem Kloster-Berg Montserrat, 40 km nördlich von Barcelona. Auf einem Pilgerweg rund um das Kloster fand ich auf einer Keramik-Ziertafel die Inschrift “Nostra Senyora de Fussimanya” (siehe Foto). Nanu, eine Schutzgöttin für Fußball-Verrückte? Die sie womöglich davor beschützt, in die Niederungen der Kreisliga abzurutschen oder an Geschäftsführer zu geraten, die die Finanzen in Grund und Boden wirtschaften? So nett der Gedanke wäre - Fussimanya ist schlicht und ergreifend ein winziges katalanisches Dörfchen, in dem die Heilige gewirkt hat!
Die Gemeinsamkeit war allerdings schnell vorbei beziehungsweise sie beschränkte sich auf den Weg von der Sprachschule um sieben Blocks hin zum Museum für Moderne Kunst. Einige einführende Worte noch von unserer Lehrerin Meritxell, und dann waren wir allein unserem Schicksal überlassen. Das Schicksal hieß in diesem Fall George Brecht, Peter Friedl und “Vinil. Discs i caràtules d’artistes”, übersetzt etwa “Vinyl. Schallplatten und -Hüllen von Künstlern”.
Kunst??
Da stand ich nun und versuchte, die ausgestellten Installationen und Werke auf mich wirken zu lassen. Ganz schön schwierig bisweilen, denn das Gezeigte beinhaltete zum Beispiel eine Komposition aus einem Bierdeckel, auf dem “It’s all” steht, sowie darunter einer Pastillen-Dose, auf der “Mental” zu lesen ist. Oder einen weißen Stuhl, auf dem eine Küchenreibe (?) und ein Maßband (??) abgelegt waren. Oder einen überdimensionalen Neonleuchtschriftzug “Neue Straßenverkehrsordnung”. Ich möchte jetzt nicht mit der banausigen Frage kommen “Und das soll Kunst sein?”, denn im Prinzip finde ich Kunst unbedingt wichtig, interessant und fördernswert. Aber hier gebe ich unumwunden mangelnde Kenntnisse zu. Schön war’s in dem Museum trotzdem; ist immer gut, wenn der Geist ein wenig in Bewegung gerät, und das Gebäude an sich in seiner Großzügigkeit und in seiner lichtdurchfluteten, offenen Art, das hatte schon eine ganze Menge.
Bikini-Schnüre grüßen den Strand
Außerdem war allein die Beobachtung der anderen Museumsbesucher - vor allem eben unserer Gruppe - interessant genug: Da gibt es die, denen quer über die Stirn geschrieben steht: “Ich will eigentlich lieber an den Strand.” Notdürftig haben sie die Bikini-Schnüre unter ihren Sommertops verborgen, die Gummilatschen platschen deplatziert in die museale Stille hinein, und ihre nach unten hängenden Mundwinkel signalisieren deutlich die Unlust oder wahlweise die Verärgerung über denjenigen, der sie gegen ihren Willen in diesen Bau geschleppt hat.
Dann gibt es die, deren Gebaren uns sagen will: “Ich kenn mich aus. Ich weiß, dass Peter Friedl diese Installation für die Dokumenta X in Kassel erstellt hat. Und ihr nicht!”. Gemessenen Schrittes ziehen sie von Kunstwerk zu Kunstwerk, heben ab und zu bedeutungsschwanger die eine oder die andere Augenbraue und blättern zwischendurch nur kurz in dem kiloschweren Ausstellungskatalog. Nur deshalb natürlich, um nachzuschlagen, ob George Brechts erste Ausstellung in dieser New Yorker Galerie nun im April oder im Mai 1959 war.
Meine beste Freundin, die Digitalkamera
Dann gibt es eine etwas unangenehme Spezies: ihr wichtigstes Utensil ist die Kamera. Sie pätschen das Objektiv ihrer Digitalen direkt an die Scheiben der Schaukästen (die Aufnahmen werden bestimmt super), sie lassen sich von ihren Freunden vor den Kunstwerken ablichten, die am buntesten sind, und sie nerven andere damit, dass sie ihnen vorwurfsvolle Blicke zuwerfen, wenn sie aus Versehen die Frechheit besitzen, in ihre minutenlange Videoaufnahme der Kleiderständer-neben-Abstelltischchen-Installation im ersten Stock der Ausstellung reinzulatschen.
Besser das Art-Abo
Ich selbst übrigens würde mich in die Gruppe derjenigen einreihen, die besser daran getan hätten, irgendwann einmal ein Abo des Kunstmagazins “Art” zu ordern. Die sich jedesmal in solchen Museen neu vornehmen, das Feuilleton der Tageszeitung aufmerksamer zu lesen. Die vielleicht Anfang Juli, vor der Barcelona-Abreise, doch mal auf einen Freibad-Nachmittag hätten verzichten sollen und statt dessen die Caspar-David-Friedrich-Ausstellung in Essen besucht hätten.
Morgen Picasso
Morgen übrigens finden Sie mich im Picasso-Museum. Und danach in der “Fundacio Joan Miró”. Und wenn die Zeit noch reicht, im “Museu Futbol Club Barcelona”. Okay - vielleicht sehe ich aber schon nach Picasso ein, dass ich den Mund etwas zu voll genommen habe.
Wenn Sonia wüsste...
Wenn Sonia, die Lehrerin, wüsste, was sie da für ein wichtiges Thema angeschnitten hat!
Seitdem ich lebe - nun gut, sagen wir, seitdem ich ohne Mama und Papa verreisen kann - bin ich der festen Ansicht, dass man sich Großstädte am besten und am intensivsten zu Fuß erschließt. Während also die beiden etwas bequemen Engländerinnen Adele und Martha in meiner Unterkunft beim Abendessen darüber diskutieren, welche Metro-Linien am schnellsten zum Parc Guëll fahren oder welche Bushaltestelle man für die Besichtigung der Sagrada Familia bevorzugen sollte, könnte ich noch nicht einmal den aktuellen Ticketpreis nennen. Von der Meinung, dass man laufend die schönsten Ecken der Stadt entdeckt, dass Sightseeing auf zwei Beinen das einzig Wahre ist und dass man so für mehr Details als irgendwie sonst sensibilisiert wird, rücke ich auch nach gut einer Woche Barcelona a pie (zu Fuß) nicht ab.
Aber frage mich niemand nach meinen Füßen.
Die Heilfleisch-Strategie
Meine Strategie war zunächst: Ich habe vier Paar Schuhe mit - Sandalen mit Absatz, Sandalen ohne Absatz, feste Halbschuhe und Jogging-Schuhe. Kein Paar eignet sich für den dauerhaften, täglichen Einsatz in einer spanischen Großstadt, so viel war schnell klar. Also: jeden Tag reihum andere Schuhe tragen. Vier Tage, das müsste genug Zeit sein, damit die Blasen, die je nach Treter-Wahl an anderen Stellen entstehen, wieder weg sind; ich habe schließlich gutes Heilfleisch. Aber mit Absatz-Schuhchen auf den Montjuïc-Berg stöckeln? Turnschuhe zum Rock? Alles nichts.
Jetzt steht für ein zusätzliches Paar Flipflops, das ich eingekauft habe, die Bewährungsprobe an. Ich fand Flipflops bislang abartig und bestenfalls für unhygienische Duschkabinen geeignet. Aber eine nicht-repräsentative Umschau auf Barcelonas Frauenfüße zeigte, dass diese Schlappen offensichtlich die geeignetsten sind für dieses Pflaster.
Gutes Stichwort. Ich kann jetzt leider nicht weiterbloggen. Ich muss Pflaster kaufen. Blasenpflaster.
Seele baumelt
Seele baumeln lassen war am heutigen Sonntag Programm. Wieder in den Rodalies-Zug, diesmal nach Westen. Sitges, weithin bekannter Badeort und Treffpunkt der Schwulen- und Lesben-Urlauber-Szene, lockte mich, meine Urlaubs-Lektüre, meine Sonnencreme und -brille an den Strand. Diese Idee hatten - wie zu erwarten war - nicht wenige andere Menschen. Nein, ich beschwere mich jetzt bestimmt nicht! Mein Handtuch fand schließlich Platz. Okay, zwischen meines und das des Nebenmanns passten zwar gerade mal meine Wasserflasche (absolutes “must have”, wohin man geht und steht und sieht; die Supermärkte verkaufen sogar Extra-Grössen für Kleinkindhände!) und meine Schuhe, aber schön war’s trotzdem.
Keine Quallen, aber Streik
Besorgte Erkundigungen aus heimatlichen Gefilden - die deutschen Medien hatten offensichtlich Quallen-Plagen in den Gewaessern vor Barcelona gemeldet - konnte ich direkt als haltlos entkräften - an meine Haut lasse ich nur Salzwasser und - notgedrungen, Stichwort H 9.32 T 34 - Schweiß, keine quabbeligen Meeresviecher. Die hiesigen Medien beherrscht ein anderes Thema: Der Mega-Streik auf Barcelonas Flughafen El Prat: Zehn Tage, konnte ich den fetten Schlagzeilen der Sonntagszeitungen entnehmen, werde es brauchen, bis man alle gestrandeten und nicht abgeflogenen Passagiere an dem Ort und der Stelle habe, wohin sie eigentlich wollten. In Spanien haben an diesem Wochenende die Ferien begonnen - das macht ungefähr vorstellbar, welches Chaos der Streik auslöste. Die Zeitungs- und Fernseh-Bilder von Urlaubern, die aus Verzweiflung ihre Campingplatz-Zelte auf dem Flughafengelände aufgeschlagen hatten oder die wutentbrannt dem Airport-Personal Fäuste entgegenschüttelten, ließen das Durcheinander plastisch werden.
Gut, dass ich noch zwei weitere Wochen hier in Barcelona bleibe. Nicht nur, weil ich meinen Flieger pünktlich besteigen möchte. Ich will schließlich noch weiter Spanisch lernen!