17 Oktober 2006

Die Orken und die Türken

Mal wieder Wladimir Kaminer, diesmal in der Mayerschen in Essen. So ein angenehmer Mensch, wirklich.
Er schon, die Leute im Publikum teilweise nicht. Ich hasse das, wenn - "Haben Sie Fragen an mich?" - Leute so etwas sagen wie: "Wie geht es Marfa?" und damit signalisieren: Ätsch, ich bin Insider! Ich weiß mehr als ihr! Ich hab mehr Kaminer-Bücher gelesen als ich, und zwar auch 'Ich mache mir Sorgen, Mama'! " Oder solche die in kaum gebrochenem Deutsch sagen: "Ich kann nicht so gut Deutsch, deswegen stelle ich diese Frage erst auf Deutsch und dann auf Russisch", und dann in wunderbar ausformulierten Sätzen auf Deutsch die Frage stellen, sie dann aber doch noch mal auf Russisch hinterherschicken - seht her, ich habe mehr mit dem Autoren (Foto von der Homepage) gemein als ihr!
Na toll. Ich glaube, Herrn Kaminer ficht das alles nicht so sehr an. Sehr unkompliziert kam er in seinen Trecking-Schuhen, seiner Meltin-Pot-Jeans und seinem schmucken, blauglänzendem Hemd auf die Bühne. Leider war kein Stuhl hinter seinem Lese-Tisch. "Lassen Sie, lassen Sie, es geht so: Ich baue nur ein wenig um", sagt er zu dem eilfertig einen Stuhl aus dem Publikumsbereich herbeiholenden Mann und zerrt halt eben schnell das Stehpult vom Bühnenrand vor den Lese-Tisch, setzt sich darauf und fertig.
Natürlich war in der Ankündigung auch wieder zu lesen, dass Herr Kaminer aus seinem Buch "Küche totalitär" lesen werde. Genau ein Kapitel las er daraus, der Rest waren noch nicht gedruckte Geschichten, teilweise erst wenige Tage alt.
Unter letzteren war auch die Geschichte, die ja wunderbar zu der Anfrage passte, die mich beinahe um diese Lesung gebracht hätte: "Tamina, hast du Lust auf ein türkisches Essen heute Abend?" NEIN! Ich habe Karten für eine Lesung und gehe deswegen nicht zum Ramadan-Fastenbrechen der örtlichen Muslime, die ausgerechnet heute die Presse dazugebeten hatten.
Türken jedenfalls. Wladimir Kaminers Sohn Sebastian spielt mit seinem türkischen Freund B. (den äußerst klangvollen Namen kriege ich dummerweise nicht mehr auf die Reihe) das allseits beliebte Väter-Vergleichen: "Mein Vater ist total stark. Fühl mal seine Muskeln", sagt Sebastian zu B., der wiederum mit dem enormen Bein-Haarwuchs seines Vaters prahlt. Das sei soooo lang, "und er zeigte eine Länge an, mit, wäre sie real, B.s Vater sich nicht mehr einwandfrei im öffentlichen Leben bewegen könnte", so Kaminer. Da fällt Sebastian nichts mehr ein, außer: "Auf Türken ist kein Verlass." Das habe er in einem Buch gelesen und in einem Film gesehen. So.
Böse Falle! Nächster Tag, Treffen von der Lehrerin, den beiden Jungs und beiden Vätern, Rassismus-Verdacht liegt in der Luft. Bis sich herausstellt: Sebastian verwechselte die Orken mit den Türken. Denn er hatte "Herr der Ringe" (und die Orken sind eines der dort vorkommenden Völker) gelesen und gesehen.
Ärgerlicherweise ist es relativ müßig, Kaminer-Lesungen wiedergeben zu wollen, leben sie doch hauptsächlich von seiner minimalistischen Mimik, seiner einzigartigen, leicht russisch-akzentuierten Aussprache und den kleinen Exkursen, die er einbaut. Vom Bundeskleingartengesetz. Oder vom Rhabarber: "Ich glaube, es gibt in jedem Land der Welt eine Frucht oder ein Gemüse, das nur die Menschen in diesem Land mögen." Oder von der Tatsache, dass Bäume nichts in der Wohnung zu suchen haben, was die Erfahrung mit einem von der Katje nicht gewollten Katzenbaum leert.
Gerne bald wieder, Wladimir. Und, nein: Ich sage nicht beim Unterschrift-aufs-Plakat-Schreiben-Lassen: "Mein Sohn mag Sie auch. Besonders die Geschichte mit dem Playmobil. Hihi. Die ganze Familie ist Kaminer-Fan." *stolzguck* Uah!

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