24 August 2006

Männer und Frauen

Bin ich eigentlich verbissen, wenn ich es ein bisschen lächerlich finde, was Philips-Chef Gerard Kleisterlee diese Woche in einem Interview mit dem Spiegel gesagt hat? "Ich stehe morgens mit einem Philips-Radiowecker auf, putze mir die Zähne mit einer Philips-Zahnbürste, rasiere mich mit einem Philips-Rasierer und bekomme dann von meiner Ehefrau eine Tasse Kaffee aus dem Senseo-Apparat." Ey bitte! Wer es nicht weiß: Der Senseo-Apparat (Foto) ist eine Kaffeemaschine, die so einfach zu bedienen ist, dass sogar mein Bruder Nici Leute, die morgens extrem schwer in die Gänge kommen, damit Kaffee produzieren können. Herr Kleisterlee wohl nicht. Aber wofür hat man seine Ehefrau?
Aus heimlichem und stillem Protest gegen diesen Macho habe ich mir heute ein neues Autoradio gekauft und es selbst eingebaut. Ätsch. Hat geklappt und war ganz einfach. Man muss sich nur rantrauen.

23 August 2006

Verordnung Nr. 46 - und Spanisch-Kurs Nr. 1

Nur mal so: Heute wird NRW 60. "Hier an Rhein und Ruhr und in Westfalen, an Sieg und Ems, im Lipperland, schlägt
unser Herz, lebt unser Land", lässt der WDR unseren Ministerpräsidenten und das ganze Land trällern. Ich find's gar nicht mal schlecht.

Heute erster Tag im Spanisch-Kurs. Das Spielchen kennt man ja - sagen, wie man heißt, wie alt man ist, die anderen fragen, was ihre Hobbys sind und was sie beruflich machen. Klaus - eher ein stiller Vertreter - sagt, er sei ingeniero . Aha, was für eine Sorte denn - technischer Ingenieur, Elektro-Ingenieur oder was? Klaus guckt ein bisschen hilflos, kramt sichtbar in seinem Kopf nach passenden spanischen Worten. Mit welchen Produkten er denn zu tun habe, hilft ihm Mayra, die Lehrerin. Nuschelt Klaus sich irgendein Fremdwort in den Bart (vielleicht Wulstflachstahl oder ähnlich). Mayra: "??" Der Rest des Kurses: "???" Klaus: "Walzwerk!" Der Rest des Kurses (allesamt aus Dortmund): "Ah! So!" Mayra (sie kommt aus Mexico, wohnt erst seit einigen Jahren in Deutschland): "??" Klaus zu Mayra: "Na, Spundwände und so!" Der Rest des Kurses lacht mittlerweile aus vollem Halse. Und am Ende hat Mayra was über den Pott gelernt. Was Walzwerk auf Spanisch heißt, wissen wir hingegen immer noch nicht.

22 August 2006

Hier und da aufgeschnappt

Ein bisschen seltsam ist es schon, wenn im Rombergpark Nordic Walker unterwegs sind und Jacken mit der Aufschrift "Race Team" tragen.

Vorschnell schlaumeierig ist es hingegen, im Radio von einem Zugunglück in Spanien zu hören und zu kichern, wenn der Sprecher die Stadt "Palencia" ausspricht. "Oh, da hat er es mit der bilabialen Aussprache des spanischen 'v' in Valencia aber ein bisschen übertrieben", denke ich so bei mir - nur um am nächsten Tag bei der Zeitungslektüre zu erfahren, dass der Zug tatsächlich in einer Stadt namens Palencia im Norden Spaniens entgleist ist. Tja. Man lernt nie aus.

Auch nicht die zwei Ladies heute Morgen im Regionalexpress. Sagt die eine: "Ich hab gestern 'Der Untergang' auf DVD geguckt." Sagt die andere: "Ach, das ist der mit dem Tsunami, oder?" "Nee, das ist der mit Hitler."
Fragt sich, was schlimmer ist. Aber ein leicht makabres Grinsen kann man sich nicht so richtig verkneifen.

17 August 2006

Aslanlar

Mehr als jeder Integrationsbeauftragter, als jedes gut gemeinte Multi-Kulti-Event und als jede "Wir sind alle Ausländer, fast überall"-Kampagne hat für die Völkerverständigung ein Dortmunder namens Ali getan.
Und das kam so. Anfang Juli trieb mich (aus Gründen, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll) der Wunsch um, ein T-Shirt des Fußballclubs Galatasaray Istanbul zu besitzen. Wo kauft man derlei? Am ehesten vielleicht noch in der Dortmunder Nordstadt. Also los, shopping tour (ir de compras en Español) in diverse Geschäfte, die ansonsten ihr Geld damit machen, Kekse mit Kokosfüllung, Plastikblumen, silbernglitzernde Dekoartikel und günstigpreisige Elektrogeräte zu verkaufen. "Ein Galatasaray-T-Shirt? Keine Ahnung. Nee, hab ich nicht. Hier in Deutschland? Vielleicht in Düsseldorf, aber... nee. Musst du im Internet versuchen" - so lassen sich die wenig ersprießlichen Auskünfte zusammenfassen.
Letzter Versuch: Ein Bekleidungsgeschäft im Brückstraßenviertel. Ein Verkäuferinnen-Chick und ich. "Habt ihr Galatasaray Istanbul-T-Shirts?" "Waaaaas sollen wir haben?" "Ein Galatasaray-Istanbul-T-Shirt." "Was soll'n das sein?" "Ein Fußballverein, Mensch!" "Aha. Musst mal Ali fragen. Ali! Komm mal!" "Hi Ali. Weißt du, wo ich ein Galatasaray-Istanbul-T-Shirt kriegen könnte?" "Schwierig. Aber ich ruf mal ein paar Leute an. Komm in ein paar Tagen wieder."
Ich komme also in ein paar Tagen wieder. "Nein, nichts zu machen. Aber: Ich fahre am 14. Juli in die Türkei. Ich bring dir eins mit. Am 4. August bin ich wieder hier." "Okay. Am 14. August bin ich wieder hier. Ich komm vorbei."
14. August. Ich betrete Alis Bekleidungsgeschäft. Verkäuferinnen-Chick: "Aaaaah! Da ist die mit dem T-Shirt! Ali!" Auftritt Ali. Ali zieht eine Tüte hervor. Darin - siehe oben - mein Galatasaray-Istanbul-T-Shirt!! Ich hätt's ja bis zum Schluss nicht zu glauben gewagt, aber: Ein Mann, ein Türke, ein Wort. 80 Millionen türkische Lire hat's gekostet und Ali zeigt mir dreimal, dass das Ding auch original ist. Mit Sicherheitsetikett. Und die Quittung, "die hatten wir doch auch irgendwo?", sagt Ali zum Chick. Sie kramt in diversen Taschen. "Ey, das T-Shirt hat uns den halben Urlaub gekostet, weißt du das?", sagt sie grinsend zu mir. "Waren erst in Antalya, da gab's das nicht, dann in Istanbul, dann noch mal..." Die Quittung findet sich nicht. "Lass gut sein, Ali, ich zahl alles was du sagst. Komm, rechne um!" "Nee, warte, ich rufe meine Kumpel an, in der Türkei und frage nach."
Am Ende wird doch per Taschenrechner grob ein Preis kalkuliert, ich lege noch was drauf - Kerosinzuschlag - und bin danach die wohl einzige Dortmunderin mit einem waschechten Galatasaray-Istanbul-T-Shirt.

14 August 2006

Volverte a ver

Ich werde mich an den Gedanken gewöhnen müssen, dass jetzt nicht mehr Barcelona ist. Dass jetzt auf der Computertastatur zwischen t und u nicht mehr das y, sondern das z ist. Und dass man mehr als ein Trägertop braucht, wenn man sich morgens anzieht. Dass nachmittags nicht mehr die Frage "erst Strand und dann Mies van der Rohe-Pavillon oder erst Parc Guell (siehe unteres Foto) und dann Strand?" ansteht, sondern eher 17.03-Uhr-Zug nach Dortmund oder 18.10 Uhr? Dass niemand mehr deberes (Hausaufgaben) aufgibt.
Dass man Leitungswasser wieder trinken kann. Dass ich morgens selbst Kaffee kochen muss. Dass ich keinen Sand mehr aus meinen Klamotten schütteln werde. Dass ich nachts keine Ohropaxe mehr ins Ohr stecken muss, um schlafen zu können. Dass die Menschen um mich herum nicht mehr Henry und Susie und Tiziana heißen, sondern Thomas und Gabriele und Inge.
Nun denn. So ist Urlaub. Und so oder so wird Barcelona noch lange in mir stecken, an mir haften und in meinem Herzen bleiben.

12 August 2006

WAZ-blog, Teil 11: Adiós Barcelona - ein Resümee

Drei wunderbare Wochen Sprachkurs-Urlaub in Barcelona gehen heute zu Ende, wenn ich kurz vor 15.30 Uhr den Zettel mit der Buchungsnummer EBRD3DJ am Easyjet-Schalter auf dem Flughafen El Prat von Barcelona vorlege.

Gerne geh’ ich nicht, das sei meinem kleinen Resümee - das weder erschöpfend noch allumfassend und ohne jeglichen statistischen Wert ist und frei aus dem braungesonnten Bauch heraus verfasst wurde - vorweggeschickt.

Das schönste Wort, das ich im Sprachkurs hier gelernt habe, ist eindeutig tiquismiquis, ausgesprochen /’tikis’mikis/. Man verwendet es, um eine Person zu beschreiben, die sich ein wenig pingelig und wunderlich verhält, sich ein kleines bisschen anstellt, das Ganze aber durchaus irgendwie liebenswert meint. Tiquismiquis, das nehme ich sofort in meinen Wortschatz auf.

wohl unbrauchbarste Vokabeln: el tobillo, das Fußgelenk - sollte ich einen schlimmen Unfall beim Fußballspielen haben (sehr unwahrscheinlich; ich spiele kein Fußball) oder beim Berg-Montserrat-Erklimmen selten ungeschickt über eine Baumwurzel stolpern (schon ein bisschen wahrscheinlicher), werde ich dieses Wort wohl bis an mein Lebensende nicht mehr brauchen. Gelernt haben wir auch: decongelacion, Schneeschmelze. Ich werde daran denken, sollte ich demnächst Andalusien besuchen oder einen Flug auf die kanarischen Inseln buchen.

Anzahl der erlernten Vokabeln:676 - nicht so schlecht für 75 Stunden Unterricht, finde ich. Allerdings: “erlernt” ist natuerlich relativ…

schönster U-Bahn-Station-Name: Urquinaona in der Stadtmitte (weil auch nach drei Wochen nicht unfallfrei aussprechbar)

treffendste Wortneuschopfung: “El Paseo de la Muerte” - für den Metro-Verbindungs-Gang zwischen den Linien 4 und 3 am Passeig de Gracìa. Das Copyright liegt bei den Italienerinnen Tiziana und Chiara aus meinem Kurs, die diesen Gang täglich auf dem Weg zur Schule entlanglaufen mussten und jedesmal Gefahr liefen, in der stickigen, hitzigen Luft schon am frühen Morgen zu Boden zu gehen.

Fähigkeit, die man nicht genug wertschätzen kann, wie ich seit Neuestem finde: die richtige Einstellung und Justierung einer Klimaanlagen. Diese vermaledeiten Viecher ließen entweder Ganzkörper-Gänsehaut entstehen oder, wenn man sie daraufhin wieder runterregelte, es stand die warme, schlechte Luft im Raum - kein Wunder, dass viele in unserer Sprachschule mit Schals rumliefen, Halstabletten neben ihren Spanisch-Büchern liegen hatten und Stimmen hatten, die die Bezeichnung Stimme schon nicht mehr verdienten.

Farbe meines Ärgers über völlig sinn- und nutzlos mit nach Barcelona geschlörte drei Pullover, zwei langärmlige Shirts und eine Jeans-Jacke: schwarz

Lieblings-Mitschüler: Lewis aus England. Ich mag es ja, wenn Menschen zu ihren Schwächen stehen. Und Lewis stand geradezu entwaffnend offen zu seinen. Und das Beste: Wenn wir über ihn lachten, dann immer mit ihm. Lewis brachte es fertig, sich die ganze erste Woche (ehrlich gesagt bekam er es auch in der zweiten noch nicht auf die Reihe...) nicht merken zu können, was auf Spanisch heißt “Wie sagt man xy auf Spanisch?” Also wandte er sich jedesmal hilfesuchend an seine ebenfalls am Kurs teilnehmende Freundin Sarah: “How do I say ‘How do I say’?” - und der Kurs antwortete im Chor: “ Cómo se dice...!!” Im Fragen war Lewis ohnehin groß: “¿Qué significa ‘garaje’?, wollte er einmal die Bedeutung einer Vokabel in einem Text wissen. Lewis, vielleicht mal ein bisschen die Fantasie spielen lassen? Welchem englischen Wort ähnelt garaje wohl fast zum Verwechseln? Ob das was mit Autos zu tun haben könnte??
Lewis war es auch, der ("I’m always confused with the words for kitchen and for toilets!” - “Ich verwechsele immer die Wörter für Küche und Toilette!") ständig, wenn wir in einer Strandbar hockten, im falschen Raum landete, wenn er mal für kleine Jungs musste. Lewis aber war es auch, der manchmal geniale Beiträge zum Unterrichts-Spaß brachte: Als uns Lehrerin Maite neulich erklärte, dass anzünden im Spanischen encender heiße und sie in die Klasse fragte, ob jemand denn auch das Wort für die gegenteilige Aktion wisse, da war Lewis derjenige, der zuerst eine Antwort hatte: “Agua!” - “Wasser!” Wo er Recht hat, hat er Recht.

Job, den ich niemals in Barcelona machen möchte: Inventur bei der Mülleimer-Verwaltungs-Stelle. Ich habe noch nie so viele Mülleimer in einer Stadt gesehen wie hier. Allein an jeder - jeder! - Straßenkreuzung stehen acht. Dazwischen sind auch noch welche, rund um Touristen-Sammelpunkte wie Sagrada Familia, Parc Guëll oder die Plaça de Catalunya stolpert man beinahe über die Dinger, und die Wagen der BCNeta - nettes Wortspiel aus der Abkürzung für Barcelona BCN und neta, der katalanischen Vokabel für ‘sauber’, sowie dem Namen des dem Meer zugewandten Stadtteils Barceloneta - sind aus dem Straßenbild nicht wegzudenken. Auch am Strand muss man nirgendwo mehr als 20 Schritte gehen (höchstpersönlich von mir ausgemessen und verifiziert), um seine Apfelkippe und seine leere Wasserflasche wegzuschmeißen.

Fazit: Reisen Sie nach Barcelona! Vergessen Sie die sündhaft teure Kaffeemaschine des edel-italienischen Herstellers, die Sie anzuschaffen gedachten. Sparen Sie sich das neue Auto! Essen Sie halt nur noch Brot mit Margarine, aber: Reisen Sie nach Barcelona!

Vielleicht haben Sie danach auch eine neue Lieblingsstadt. So wie ich.

11 August 2006

WAZ-blog, Teil 10: Més que futbol

Zu Hause bin ich für die WAZ unter anderem in der Ostvest-Sportredaktion unterwegs auf den Fußballplätzen und Tenniscourts, in Handballhallen und an Wasserballbecken von Oer-Erkenschwick, Datteln und Waltrop. Klar, dass ich hier in Barcelona auch das sagenhafte Camp Nou, das Stadion des FC Barcelona, besichtigen musste.

Schließlich buhlt das ans Stadion angeschlossene “Museu del Futbol Club Barcelona” mit dem Picasso-Museum um die meisten Besucher, verkaufen sie doch beide jedes Jahr an die eine Million Eintrittskarten. Eins kann ich mal sagen: Noch nie wurde vor den Kassen so gedrängelt wie vor dem FCB-Museum. Als hätte die Besucher ein geheimer Antrieb und Nervenkitzel erfasst, der sie ihren Vordermännern auf die Füße trampeln und rumschubsen liess. Aber was sage ich - hier geht es ja auch um nichts Geringeres als Fußball.

Bilder einer Passion

Besser gesagt um “Més que futbol”, mehr als Fußball, wie eine Foto-Ausstellung berühmter Barça-Fußballfotos im Museum überschrieben ist. Bilder einer Passion (katalanisch: ‘Imatges d’una passio’) zeigt diese Ausstellung - und wer wollte nicht mal das Trainingslager der FC-Barcelona-Mannschaft in Finnland im Jahr 1966 sehen? Oder wie Michael Schumacher im Mai 2005 Fußball spielt? Ein Foto von 1928 zeigt, was heute elektronisch-vollautomatisch geschieht: Ein Mann trägt eine handbeschriebene Kreidetafel durchs Stadion; zu lesen ist: BCN (=FC Barcelona) 1 - Real (= Real Madrid) 0. Das Museum hat aber noch mehr zu bieten. Ich bin zum Beispiel erstaunt darüber, wie wenig sich das Trikot der Barça-Boys in all den Jahren seit Clubgründung (29.11.1899) verändert hat: Die blauen und weinroten (katalanisch: blau-grana) Streifen scheint jemand schon 1920 mit Perwoll gewaschen zu haben, und auch das Design ist zeitlos (schön).
Jetzt lerne ich auch endlich mal Ladislao Kubala kennen. Ich weiß, dieser Satz bringt mir jetzt wieder vorwurfsvolle Blicke und abfällige Bemerkungen meiner fußballbewanderteren Freunde ein. “Wie, du kanntest Ladislao Kubala, den ungarischstämmigen Fußballspieler, der 1950 der bestbezahlte Mann vom FC Barcelona war, vorher nicht? Schäm dich!”, höre ich sie schon rufen.

Von der Wichtigkeit der Sportarten

Dafür kann ich am nächsten Tag in der Schule mit Fachwissen glänzen - was man so Fachwissen nennt. “Did you know there is a game they call something like ‘Handball’?”, fragt mich allen Ernstes Mitschüler Lewis aus England, der ebenfalls das Camp Nou besucht hat. Ob ich gewusst habe, dass es so ein Spiel namens Handball gebe?! Ich erkläre ihm schnell die Basics: wie viele Spieler, wie viele Tore und wie viele Halbkreise für ein Handballspiel nötig sind. So unterschiedlich wichtig sind die Sportarten in Europa…

Wer ist eigentlich Kubala?

Tatsächlich habe ich nicht gewusst, dass der FC Barcelona auch eine taugliche Eislauf-Abteilung hat. Und ich kannte vorher Kicker-Geräte nur für die Simulation von Fußballspielen. Es gibt aber auch solche für Hand- und Basketballspiele (mit bewegbaren Bodenplatten!). Weitere kuriose und bunt zusammengestellte Objekte: Die Original-Taschenuhr des Schweizer (!) Clubgründers Hans Gamper. Und eine Auflistung aller rund 1600 Fanclubs - zwei gibt es auch in Deutschland: einen in Berlin und die “Barcelonista Knittlingen”. Ein ganzer Raum voller Trophäen, Medaillen, Auszeichnungen und Cups - für die Hardcore-Fans.

Am Ende des Museumsbesuchs geht buchstäblich kein Weg vorbei am Shop - raus geht’s nur durch die “FCBotiga”. Ein Katzenkorb mit FCB-Emblem gefällig? Lieber in Blau oder lieber in Weinrot? Oder darf es vielleicht der Barça-Kühlschrank sein? Eine Taschentücher-Hülle in Clubfarben? Badelatschen mit Ronaldinho-Anlitz? Vom üblichen Sammler-, Jäger- und Fan-Equipment (Unter- und Bettwaesche, Kulis, Lollis, Trinkgefässe) mal ganz zu schweigen…

Internationale Werte

Eine Frage bleibt offen: Der FC Barcelona stehe seit jeher für die katalonischen Werte, informiert eingangs eine Tafel über die Club-Philosophie. Was immer die sein mögen - aber diese Werte möchte ich doch gerne mal von einem Spieler wie Samuel Eto’o (Herkunft: Kamerun) oder einem Deco (aus Brasilien) persönlich erklärt haben.

08 August 2006

WAZ-blog, Teil 9: The Champion is catalan

"Los catalanes dan las gracias a los jugadores de Argentina, Brasil, México, Camerún, España, Francia, Holanda...” steht auf einem nachgeahmten Zeitungs-Ausriss, und darunter: “The Champion is catalan”. image Eine solche Postkarte fiel mir neulich beim Schlendern durch Barcelonas Viertel El Born in die Hände. Mit der Fußball-WM im Hinterkopf ist dieser Scherz - “Die Katalanen sagen den Spielern von Argentinien, Brasilien… danke” - auch für Nicht-Katalanen verständlich.


Das Thema der katalonischen Identität - Katalonien ist eine Autonome Gemeinschaft mit eigenem Parlament; während des Franco-Regimes war die Sprache und die Kultur verboten -, so habe ich nach knapp drei Wochen festgestellt, ist hier zwar überall präsent, aber auf eine sehr dezente Art und Weise und so, dass derjenige, der sich nicht konkret danach umschaut oder der sich nur an der touristischen Oberfläche durch Barcelona bewegt, nicht unbedingt drauf aufmerksam oder mit der Nase drauf gestoßen wird.
Gut, es kommt vor, dass unsere Lehrerin Sonia - gefragt, was dieses oder jenes auf Spanisch heißt, im ersten Reflex etwas an die Tafel schreibt, dann aber plötzlich mit den Worten: “Ah, no, es catalán!” zum Wischlappen greift, sich an die Stirn schlägt und das - für uns, die Spanisch-Lernenden - korrekte Wort notiert. Straßennamen sind hier ohnehin gänzlich katalanisch. Die Mega-Schneise durch “Barça”, wie die Katalanen ihre Hauptstadt nennen, ist nicht, wie sie wohl im Rest des Landes genannt würde, die Avenida Diagonal, sondern die Avinguda Diagonal.

Belegte Brote

Und wenn wir Sprachschüler mittags auf die Schnell ein Bocadillo, ein belegtes Brötchen, haben wollen, gehen wir um die Ecke zu “Pans”, einer katalanischen Belegte-Brote-Kette mit Filialen an jeder Ecke der Stadt, müssen uns da aber mit den katalanischen Bezeichnungen anfreunden oder abfinden. Tallet" heißt hier der kleine Kaffee mit Milch, den das übrige Spanien cortado nennt.
“If it’s got a lot of ‘x’es in it, then it’s catalan!”, brachte es mein Mitschüler Lewis auf den Punkt, wenn wir manchmal - in der Metro-Station, auf Speisekarten oder sonstwo - auf Sprachbrocken stießen, die wir nicht auf Anhieb entziffern konnten und nicht wussten, ist das nun, weil wir einfach noch nicht genug Spanisch können oder eben, weil das hier gar nicht Spanisch ist, sondern Katalanisch. Denn die - übrigens völlig eigenständige Sprache; das ist kein Dialekt - Katalanisch hat tatsächlich viele ‘x’-e und auch viele ‘au’-s und ‘eu’-s im Sprachbild. “Bitllet, si us plau” steht zum Beispiel im Display am Drehkreuz zum Bahnsteig, wo wir das Ticket reinschieben muss, um passieren zu können. Und “L’Eixample” heißt der Stadtteil, in dem wir wohnen.
Jede Buchhandlung hat ganz selbstverständlich eine Ecke mit katalanischsprachigen Büchern - aber es ist eben eine Ecke, und der Rest ist voll mit spanischen.

Dass ein gewisser Nationalstolz vorhanden ist, zeigt sich aber - einmal mehr beim Fußball. Der FC Barcelona hat keinen Haupt-Trikotsponsor - weil er sich als eine Art katalanisches Nationalteam begreift. Was hinzu kommt: Hier in dieser Stadt, in der fast vier Millionen Menschen, leben, mixen sich die, die hier geboren sind, mit denen, die aus Sevilla, aus Cadiz, aus Santander und aus sonstwelchen Ecken des Landes zugezogen sind und daher mit dem Katalanischen auch nicht viel anfangen können. “Im Freundeskreis sprechen wir grundsäetzlich Spanisch”, schüttelt beispielsweise der Postkarten-Verkäufer den Kopf, als ich ihn auf die Katalanisch-Frage anspreche.

Vermessen

Ein abschließendes Urteil darüber, wie genau der katalanische Nationalstolz ausgeprägt ist, darüber möchte ich mir kein Urteil erlauben. Nach nur drei Wochen, noch dazu drei Wochen, in denen die Gehirnzellen vornehmlich mit spanischen Vokabeln, dem regelmäßigen Auftragen von Sonnencreme, den korrekten Zugverbindungen zum Kloster Montserrat und Eintrittspreisen zum Mies-van-der-Rohe-Pavillon beschäftigt sind, auch noch einen hinreichenden Einblick in die Mentalität und die Seele der Menschen hier fällen zu wollen, wäre nach meinem Dafürhalten vermessen.
Fest steht jedoch: Barcelona ist vor allem international. Hier sind so viele Menschen aus aller Welt, dass der Unterschied Katalanisch - Spanisch (oder korrekter: Kastilisch, castellano, ‘Hochspanisch’) gar nicht so sehr ins Gewicht fällt. Barcelona ist weltoffen - auch wenn zugegebenermaßen eine Stadt, in die so viele Euros aus Touristen-Portemonnaies fließen, das aus reinem Eigennutz auch sein muss.

07 August 2006

WAZ-blog, Teil 8: Sportfreunde Barcelona


Sie sind ein sportfreudiges Völkchen, die Barcelonesen, muss ich feststellen. Na ja, sportfreudig ist vielleicht zu viel gesagt; aber bewegungsfreudig sind sie mindestens. Der typische Metro-Passagier zum Beispiel war heute, am Sonntag, mit Badeshorts und T-Shirt bekleidet, über der einen Schulter hing ein Badehandtuch, in der anderen Hand trug er eine Frisbee-Scheibe, respektive ein Body-Board zum Wellen-Reiten, respektive einen Volleyball.

Nichts mit Faulenzen

Wirklich, an den Stränden von Barcelona wird nicht so viel träge dahingefaulenzt, wie ich das von anderen Stränden kenne. Volleyball-Netze sind kreuz und quer gespannt, Fußballer scheinen die WM nachspielen zu wollen, auf der Strandpromenade gleiten die Inline-Skater dahin, dass mir beim Gedanken an die Sandkörner, die sie sich so in die Kugellager rollen, die Tränen kommen, Tischtennis-Platten am Strand-Rand sind dicht umlagert, und wenn es Abend wird, ist hier erst recht die Luzie los, wenn die Läufer kommen.

Fast wie Wald

Läufer sind dabei sogar auch mitten in der Stadt unterwegs: Die Hauptverkehrsader Avinguda Diagonal zum Beispiel hat einen Mittelstreifen, auf dem ein paar Bäume stehen - ja Mensch, das ist doch schon fast Wald; da kann man doch laufen, auch wenn hüben wie drüben tausendfach die Abgasschleudern vorbeibrausen! Auch Fahrräder sind viel gesehene Verkehrsmittel - und das, wo Barcelona wie wohl jede Großstadt auch eine Autostadt ist und wenig extra für Radfahrer ausgewiesene Wege, dafür umso mehr Gefahren vorhanden sind. Nichtsdestotrotz radeln sie gerne und viel durch ihre Stadt, die Barcelonesen, genau wie Inlineskater nicht vor den engen Gassen des Barri Gòtic Halt machen. Ebenfalls hier nicht aus dem Straßenbild wegzudenken: Skateboarder. Dass sie den Vorplatz des Museu d’Art Contemporani als Übungsfläche und die Treppenstufen als Ramps nutzen, hat der Architekt des Gebäudes, Richard Meier, sicher auch nicht so geplant.

Ich will auch!

Bei so viel Beweg- und Sportlichkeit werde ich auch ein wenig wehmütig, schnüre ich zu Hause doch regelmäßig die Turnschuhe. Aber Laufen, das gehört für mich auf die Schotterwege des Rombergparks in Dortmund, auf den Rundweg A7 in der Haard, dem Waldgebiet am nördlichen Ruhrgebietsrand, oder auf den Uferweg am Kemnader See in Bochum. Laufen hier, in der Millionen-Metropole?

Keine Ruhe mehr in den Beinen

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Jetzt ließ mir Laufdrang und Entdeckergeist aber keine Ruhe mehr, ab in die Metro, rausgehüpft an der Haltestelle Barceloneta unten am Strand. Ich habe vorsichtshalber (die Hitze!) die Zeit gewählt, zu der die sonntäglichen Badegäste gerade die Luft aus ihren Schlauch-Booten lassen, die Sonnenmilchtuben einsammeln und den Kindern den Sand von den Beinen duschen. Lustig geht’s los, am Touristen-Strand Playa de Sant Sebastià entlang. Schön warm ist es immer noch, 27 Grad. Schwupp, da bin ich schon am nächsten Playa, Nova Icarìa. Langsam kommt die Pulsuhr auf Touren. Apropos Pulsuhr. So einen Schnickschnack brauchen die Jogger hier offensichtlich nicht. Niemand rennt damit, und auch Wasserfläschchen, wie sie sich Läufer in Deutschland um die Hüfte schnallen, sehe ich hier nirgends. Statt dessen rennen sie mit hängender Zunge und gerötetem Kopf, aber mit zufriedenem Grinsen im Gesicht durch die Gegend. Ob das was mit der deutschen Übervorsichtigkeit zu tun hat?

Missbrauch von Berühmtheiten

Noch ein paar Schritte, dann laufe ich am Peix d’Or entlang, der fischförmigen Skulptur von Star-Architekt Frank Gehry. Ein bisschen dekadent ist das schon, denke ich bei mir, als ich links die Edel-Yachten im Sportboot-Hafen liegen sehe und bald darauf links das moderne, architektonische Highlight der Stadt, der Büroturm Torre Agbar, in der Ferne schimmernd sichtbar wird: Den Weg entlang an berühmten Gebäuden und Sightseeing-Objekten, zu denen Menschen aus aller Welt pilgern, einfach so als Laufstrecke zweckzuentfremden…

Jetzt gibt’s Abendessen

Der Geruch von Olivenöl und Knoblauch reißt mich aus den Gedanken: Jetzt kommt der Strandabschnitt, an dem so viele Restaurant sind und wo jetzt die Abendessenszeit beginnt. Mmh, lecker. Ein Lauf für die Sinne. Einer mehr wird am Strand Mar Bella angesprochen, wo sich die Nackedeis tummeln, und wo aus jeder Strandbar eine andere Musiksorte zu hören ist: chillige Klänge, stampfenden Rhythmen, HipHop-Beats.

Könnte ich mich dran gewöhnen

Ich könnte mich dran gewöhnen an diese Laufstrecke, so schön Rombergpark, die Haard und der Kemnader See auch sind. Allerdings: Ich zweifle mittlerweile ein bisschen daran, ob das tatsächlich die eingeborenen Barcelona-Bewohner sind, die hier laufen. Der vorhin, mit dem T-Shirt, auf dem “Tintin Istanbul” stand - wenn das nicht ein französischer Austausch-Student mit einer Vorliebe für den Comic-Helden Tintin ist. Und die Aufschrift “Abschlussfahrt ‘06 - Voll toll!” auf dem Dress eines anderen Lufers gibt mir doch auch zu denken. Wenn da mal nicht eine Fußballmannschaft auf Tour ist. Elendig, diese Touristen berall… und ich mitten unter ihnen.

P.S.: Heute Vormittag war ich auf dem Kloster-Berg Montserrat, 40 km nördlich von Barcelona. Auf einem Pilgerweg rund um das Kloster fand ich auf einer Keramik-Ziertafel die Inschrift “Nostra Senyora de Fussimanya” (siehe Foto). Nanu, eine Schutzgöttin für Fußball-Verrückte? Die sie womöglich davor beschützt, in die Niederungen der Kreisliga abzurutschen oder an Geschäftsführer zu geraten, die die Finanzen in Grund und Boden wirtschaften? So nett der Gedanke wäre - Fussimanya ist schlicht und ergreifend ein winziges katalanisches Dörfchen, in dem die Heilige gewirkt hat!

04 August 2006

WAZ-blog, Teil 7: Von Bingo-Spielen und malenden Lehrerinnen

Paradiesische Zustände sind das ja, denen unsere Lehrerinnen und Lehrer in der Sprachschule ausgesetzt sind. Die alumnos oder estudiantes, also wir, sind aus völlig freien Stücken hierher gekommen, um zu lernen. Wo findet man das sonst, eine freiwillige Schulpflicht.

Zudem sind die Klassengrößen - wir sind sieben in unserem Kurs - so überschaubar, dass zum einen die Lehrer auf der Stelle alle Namen auswendig können - und, gemäß den Unterrichtsinhalten, auch, was jeder von uns zum Frühstück isst und wann er zu Bett geht (Lektion: Die Tageszeiten) - Suzie mag morgens “frutas y yogur y un cafe con leche”, Giugliana geht zu Bett, wenn auch ich den Fernseher ausknipse “normalmente, me acuesto a las once y media” -, wie wessen Vater aussieht und wessen Schwester gern welche Anziehsachen trägt (Lektion: Aussehen und Kleidung beschreiben), wer zu Fuß, wer mit dem Auto zur Arbeit fährt (Lektion: Die Verkehrsmittel).

Total langweilig

Lustig wird es, wenn wir anfangen, unsere Muttersprachen zu vergleichen. “Due pelle” - zwei Bälle - sagen die Italienerinnen abschätzig, wenn jemand total langweilig ist, und sie verweisen per Geste auf die männliche Körperregion hinter dem Jeans-Reißverschluss, in der diese zwei Bälle zu finden sind. Wir kichern und ich erzähle, dass das deutsche “tote Hose” wohl eine ähnliche Bedeutung trägt. Lewis und Sarah aus England zucken mit den Achseln. Ihre Sprache sei wohl nicht so einfallsreich und romantisch; dies alles würde man bei ihnen zu Hause mit “fuck off” zusammenfassen.

Stundenlanges Malen


Die Mini-Klassen bringen es aber auch mit sich, dass gewisse Eigenarten der Mitschüler auf der eine Seite, aber auch die der Lehrerinnen auf der anderen Seiten zutage treten und zur Kurzweil des Spanisch-Kurses beitragen: Über Sonia schmunzeln wir jedesmal, wenn sie zu Beginn einer Stunde minutenlang Kunstwerke an die Tafel malt, um die Bedeutung einiger Vokabeln deutlich zu machen - die manchmal schneller und einfacher und eindeutiger klar würden, wenn sie uns fix die englische Übersetzung gäbe. Ihre Kollegin Meritxell ist ernsthafter, lässt niemals eine Hausaufgabe unkorrigiert, aber sie hat Top-Tipps in der Hinterhand, wo man in Barcelona am besten zum Friseur geht, was man zu spanischen Hochzeiten anzieht - Kursteilnehmerin Suzie hat eine heiratende Freundin hier - und sie schafft es in ihrer ruhigen Art, die Unregelmäßigkeit einiger spanischer Verben doch halbwegs regelmäßig erscheinen zu lassen.
Methoden-Feuerwerk

Auch die Unterrichts-Methoden, die die Lehrerinnen uns angedeihen lassen, sind durchaus zahlreich. Und so viel Abwechslung war noch nicht, als ich damals die “richtige” Schulbank drückte (das Abitur habe ich trotzdem gekriegt, und dass der Lateinunterricht gut war und seinen Sinn hatte, merke ich jetzt, beim Spanisch-Lernen, einmal mehr): Mal arbeiten wir por parejas, paarweise, und radebrechen gegenseitig die Sätze vor uns hin, einmal kommt Lehrerin Sonia mit einem Gummiball in die Klasse und wir werfen uns das Ding zu, damit die gelernten Floskeln ein bisschen zügiger über die Lippen kommen.

Bingo und andere Spiele

Einmal bringt sie sogar ein Bingo-Spiel mit, als wir die Zahlen von 1 bis 100 erproben sollen. Sonia liebt auch Wettspiele: Wer schreibt am schnellsten und korrekt die von ihr an die Tafel gezeichneten Uhrzeiten auf? Wer kann fehlerfrei die Verben auf -ar durchkonjugieren?
Manchmal müssen wir allein vor uns hinschreiben, mal treten wir in zwei Gruppen Dialoge erfindenderweise gegeneinander an, mal muss jeder einen Satz eines langen Textes vorlesen, mal per Pantomime den anderen aus dem Kurs eine Vokabel vorspielen.

Die Streber-Bande

Mag sein, dass wir in unserem Kurs eine Streber-Bande sind. Aber während der zwei Wochen, die ich jetzt hier bin, hat nicht einer eine Stunde verpasst. Morgens um 9 sitzen wir meist noch vor den Lehrern in der Bank, und weder entschuldigt noch unentschuldigt hat bisher jemand gefehlt. Wohl ein einmaliges Erlebnis für Schul-Pädagogen: Als Lehrerin Meritxell heute vorsichtig anfragte, ob sie uns noch eine Hausaufgabe mehr übers Wochenende aufgeben kann, rührte sich keinerlei Widerstand. Statt dessen sind “sure, yes!”, “si, claro!” und “natürlich!” die Antwort.

02 August 2006

WAZ-blog, Teil 6: Rätsel, Eindrücke und Freunde der modernen Kunst

So ein Sprachurlaub in der “Camino Barcelona"-Schule bringt es mit sich, dass man sich hin und wieder gemeinsamen Ausflügen anschließt. Eine Tapas-Bar besuchen, einen Vortrag darüber hören, wie die Barcelonesen mit der Hitze umgehen, einen Almodóvar-Film gucken - viele Dinge sind eben mit einer ganzen Meute von Leuten netter als allein oder zu zweit. Heute auf dem Plan: Wir besuchen gemeinsam das MACBA, das Museu d’Art Contemporani de Barcelona.

Die Gemeinsamkeit war allerdings schnell vorbei beziehungsweise sie beschränkte sich auf den Weg von der Sprachschule um sieben Blocks hin zum Museum für Moderne Kunst. Einige einführende Worte noch von unserer Lehrerin Meritxell, und dann waren wir allein unserem Schicksal überlassen. Das Schicksal hieß in diesem Fall George Brecht, Peter Friedl und “Vinil. Discs i caràtules d’artistes”, übersetzt etwa “Vinyl. Schallplatten und -Hüllen von Künstlern”.

Kunst??

Da stand ich nun und versuchte, die ausgestellten Installationen und Werke auf mich wirken zu lassen. Ganz schön schwierig bisweilen, denn das Gezeigte beinhaltete zum Beispiel eine Komposition aus einem Bierdeckel, auf dem “It’s all” steht, sowie darunter einer Pastillen-Dose, auf der “Mental” zu lesen ist. Oder einen weißen Stuhl, auf dem eine Küchenreibe (?) und ein Maßband (??) abgelegt waren. Oder einen überdimensionalen Neonleuchtschriftzug “Neue Straßenverkehrsordnung”. Ich möchte jetzt nicht mit der banausigen Frage kommen “Und das soll Kunst sein?”, denn im Prinzip finde ich Kunst unbedingt wichtig, interessant und fördernswert. Aber hier gebe ich unumwunden mangelnde Kenntnisse zu. Schön war’s in dem Museum trotzdem; ist immer gut, wenn der Geist ein wenig in Bewegung gerät, und das Gebäude an sich in seiner Großzügigkeit und in seiner lichtdurchfluteten, offenen Art, das hatte schon eine ganze Menge.

Bikini-Schnüre grüßen den Strand

Außerdem war allein die Beobachtung der anderen Museumsbesucher - vor allem eben unserer Gruppe - interessant genug: Da gibt es die, denen quer über die Stirn geschrieben steht: “Ich will eigentlich lieber an den Strand.” Notdürftig haben sie die Bikini-Schnüre unter ihren Sommertops verborgen, die Gummilatschen platschen deplatziert in die museale Stille hinein, und ihre nach unten hängenden Mundwinkel signalisieren deutlich die Unlust oder wahlweise die Verärgerung über denjenigen, der sie gegen ihren Willen in diesen Bau geschleppt hat.
Dann gibt es die, deren Gebaren uns sagen will: “Ich kenn mich aus. Ich weiß, dass Peter Friedl diese Installation für die Dokumenta X in Kassel erstellt hat. Und ihr nicht!”. Gemessenen Schrittes ziehen sie von Kunstwerk zu Kunstwerk, heben ab und zu bedeutungsschwanger die eine oder die andere Augenbraue und blättern zwischendurch nur kurz in dem kiloschweren Ausstellungskatalog. Nur deshalb natürlich, um nachzuschlagen, ob George Brechts erste Ausstellung in dieser New Yorker Galerie nun im April oder im Mai 1959 war.

Meine beste Freundin, die Digitalkamera

Dann gibt es eine etwas unangenehme Spezies: ihr wichtigstes Utensil ist die Kamera. Sie pätschen das Objektiv ihrer Digitalen direkt an die Scheiben der Schaukästen (die Aufnahmen werden bestimmt super), sie lassen sich von ihren Freunden vor den Kunstwerken ablichten, die am buntesten sind, und sie nerven andere damit, dass sie ihnen vorwurfsvolle Blicke zuwerfen, wenn sie aus Versehen die Frechheit besitzen, in ihre minutenlange Videoaufnahme der Kleiderständer-neben-Abstelltischchen-Installation im ersten Stock der Ausstellung reinzulatschen.

Besser das Art-Abo

Ich selbst übrigens würde mich in die Gruppe derjenigen einreihen, die besser daran getan hätten, irgendwann einmal ein Abo des Kunstmagazins “Art” zu ordern. Die sich jedesmal in solchen Museen neu vornehmen, das Feuilleton der Tageszeitung aufmerksamer zu lesen. Die vielleicht Anfang Juli, vor der Barcelona-Abreise, doch mal auf einen Freibad-Nachmittag hätten verzichten sollen und statt dessen die Caspar-David-Friedrich-Ausstellung in Essen besucht hätten.

Morgen Picasso

Morgen übrigens finden Sie mich im Picasso-Museum. Und danach in der “Fundacio Joan Miró”. Und wenn die Zeit noch reicht, im “Museu Futbol Club Barcelona”. Okay - vielleicht sehe ich aber schon nach Picasso ein, dass ich den Mund etwas zu voll genommen habe.