07 August 2006

WAZ-blog, Teil 8: Sportfreunde Barcelona


Sie sind ein sportfreudiges Völkchen, die Barcelonesen, muss ich feststellen. Na ja, sportfreudig ist vielleicht zu viel gesagt; aber bewegungsfreudig sind sie mindestens. Der typische Metro-Passagier zum Beispiel war heute, am Sonntag, mit Badeshorts und T-Shirt bekleidet, über der einen Schulter hing ein Badehandtuch, in der anderen Hand trug er eine Frisbee-Scheibe, respektive ein Body-Board zum Wellen-Reiten, respektive einen Volleyball.

Nichts mit Faulenzen

Wirklich, an den Stränden von Barcelona wird nicht so viel träge dahingefaulenzt, wie ich das von anderen Stränden kenne. Volleyball-Netze sind kreuz und quer gespannt, Fußballer scheinen die WM nachspielen zu wollen, auf der Strandpromenade gleiten die Inline-Skater dahin, dass mir beim Gedanken an die Sandkörner, die sie sich so in die Kugellager rollen, die Tränen kommen, Tischtennis-Platten am Strand-Rand sind dicht umlagert, und wenn es Abend wird, ist hier erst recht die Luzie los, wenn die Läufer kommen.

Fast wie Wald

Läufer sind dabei sogar auch mitten in der Stadt unterwegs: Die Hauptverkehrsader Avinguda Diagonal zum Beispiel hat einen Mittelstreifen, auf dem ein paar Bäume stehen - ja Mensch, das ist doch schon fast Wald; da kann man doch laufen, auch wenn hüben wie drüben tausendfach die Abgasschleudern vorbeibrausen! Auch Fahrräder sind viel gesehene Verkehrsmittel - und das, wo Barcelona wie wohl jede Großstadt auch eine Autostadt ist und wenig extra für Radfahrer ausgewiesene Wege, dafür umso mehr Gefahren vorhanden sind. Nichtsdestotrotz radeln sie gerne und viel durch ihre Stadt, die Barcelonesen, genau wie Inlineskater nicht vor den engen Gassen des Barri Gòtic Halt machen. Ebenfalls hier nicht aus dem Straßenbild wegzudenken: Skateboarder. Dass sie den Vorplatz des Museu d’Art Contemporani als Übungsfläche und die Treppenstufen als Ramps nutzen, hat der Architekt des Gebäudes, Richard Meier, sicher auch nicht so geplant.

Ich will auch!

Bei so viel Beweg- und Sportlichkeit werde ich auch ein wenig wehmütig, schnüre ich zu Hause doch regelmäßig die Turnschuhe. Aber Laufen, das gehört für mich auf die Schotterwege des Rombergparks in Dortmund, auf den Rundweg A7 in der Haard, dem Waldgebiet am nördlichen Ruhrgebietsrand, oder auf den Uferweg am Kemnader See in Bochum. Laufen hier, in der Millionen-Metropole?

Keine Ruhe mehr in den Beinen

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Jetzt ließ mir Laufdrang und Entdeckergeist aber keine Ruhe mehr, ab in die Metro, rausgehüpft an der Haltestelle Barceloneta unten am Strand. Ich habe vorsichtshalber (die Hitze!) die Zeit gewählt, zu der die sonntäglichen Badegäste gerade die Luft aus ihren Schlauch-Booten lassen, die Sonnenmilchtuben einsammeln und den Kindern den Sand von den Beinen duschen. Lustig geht’s los, am Touristen-Strand Playa de Sant Sebastià entlang. Schön warm ist es immer noch, 27 Grad. Schwupp, da bin ich schon am nächsten Playa, Nova Icarìa. Langsam kommt die Pulsuhr auf Touren. Apropos Pulsuhr. So einen Schnickschnack brauchen die Jogger hier offensichtlich nicht. Niemand rennt damit, und auch Wasserfläschchen, wie sie sich Läufer in Deutschland um die Hüfte schnallen, sehe ich hier nirgends. Statt dessen rennen sie mit hängender Zunge und gerötetem Kopf, aber mit zufriedenem Grinsen im Gesicht durch die Gegend. Ob das was mit der deutschen Übervorsichtigkeit zu tun hat?

Missbrauch von Berühmtheiten

Noch ein paar Schritte, dann laufe ich am Peix d’Or entlang, der fischförmigen Skulptur von Star-Architekt Frank Gehry. Ein bisschen dekadent ist das schon, denke ich bei mir, als ich links die Edel-Yachten im Sportboot-Hafen liegen sehe und bald darauf links das moderne, architektonische Highlight der Stadt, der Büroturm Torre Agbar, in der Ferne schimmernd sichtbar wird: Den Weg entlang an berühmten Gebäuden und Sightseeing-Objekten, zu denen Menschen aus aller Welt pilgern, einfach so als Laufstrecke zweckzuentfremden…

Jetzt gibt’s Abendessen

Der Geruch von Olivenöl und Knoblauch reißt mich aus den Gedanken: Jetzt kommt der Strandabschnitt, an dem so viele Restaurant sind und wo jetzt die Abendessenszeit beginnt. Mmh, lecker. Ein Lauf für die Sinne. Einer mehr wird am Strand Mar Bella angesprochen, wo sich die Nackedeis tummeln, und wo aus jeder Strandbar eine andere Musiksorte zu hören ist: chillige Klänge, stampfenden Rhythmen, HipHop-Beats.

Könnte ich mich dran gewöhnen

Ich könnte mich dran gewöhnen an diese Laufstrecke, so schön Rombergpark, die Haard und der Kemnader See auch sind. Allerdings: Ich zweifle mittlerweile ein bisschen daran, ob das tatsächlich die eingeborenen Barcelona-Bewohner sind, die hier laufen. Der vorhin, mit dem T-Shirt, auf dem “Tintin Istanbul” stand - wenn das nicht ein französischer Austausch-Student mit einer Vorliebe für den Comic-Helden Tintin ist. Und die Aufschrift “Abschlussfahrt ‘06 - Voll toll!” auf dem Dress eines anderen Lufers gibt mir doch auch zu denken. Wenn da mal nicht eine Fußballmannschaft auf Tour ist. Elendig, diese Touristen berall… und ich mitten unter ihnen.

P.S.: Heute Vormittag war ich auf dem Kloster-Berg Montserrat, 40 km nördlich von Barcelona. Auf einem Pilgerweg rund um das Kloster fand ich auf einer Keramik-Ziertafel die Inschrift “Nostra Senyora de Fussimanya” (siehe Foto). Nanu, eine Schutzgöttin für Fußball-Verrückte? Die sie womöglich davor beschützt, in die Niederungen der Kreisliga abzurutschen oder an Geschäftsführer zu geraten, die die Finanzen in Grund und Boden wirtschaften? So nett der Gedanke wäre - Fussimanya ist schlicht und ergreifend ein winziges katalanisches Dörfchen, in dem die Heilige gewirkt hat!

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