28 Juni 2007

So viel zum Thema "gender mainstreaming"

Ein Artikel in der Süddeutschen berichtet darüber, dass immer noch zu wenig Männer Grundschullehrer werden. Darin sagt Isabell Zacharias, die Vorsitzende des Bayerischen Elternverbandes etwas zu den Vorzügen von Männern im Lehrerberuf und nennt dabei unter anderem die höhere Lärmtoleranz von Männern: "Ein Mann weiß einfach, wie es ist, wenn ein Junge unruhig wird, weil er Fußball spielen will." Ein paar Sätze weiter stellt der Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes fest, dass die Gründe für den Männermangel schlechte Bezahlung, niedriges gesellschaftliches Ansehen und überkommene Rollenbilder seien: "Ein ,echter Mann’ wird halt Ingenieur und nicht Lehrer."
Genau. Und ein echter Mann weiß auch, wie es ist, wenn Jungs raus und pölen wollen, während die lieblichen Mädels drinnen die Strickliesel rausholen und an der Aussteuer häkeln.

27 Juni 2007

Geld regiert die Welt

Notgedrungen befasse ich mich - weil jedes EU-Projekt einen Abschlussbericht braucht, in dem Heller und Pfennig und Cent und Euro eine wichtige Rolle spielen - zurzeit viel mit Zahlen bzw. Geld. Und auch darüber hinaus häufen sich die Berührungspunkte mit dem schnöden Mammon.
Man kann nämlich noch so sparsam sein - wenn man zu blöd ist, um 8.45 Uhr den Hinweis auf dem Parkticketautomaten zu lesen, dass hier von 10 bis 18 Uhr Parktickets gezogen werden müssen, und statt dessen nur liest, dass 20 Minuten 50 Cent kosten - dann muss man sich nicht wundern, dass bei einem Einwurf von 50 Cent "Parkzeit bis 10:20 Uhr" auf das Ticket gedruckt wird - und damit gut eineinviertel Stunden zu viel als nötig, wenn man nur schnell ins Rathaus springen und im dortigen Fundbüro den vorgestern verlorenen Schirm abholen will, der maximale Zeitaufwand also tatsächlich 20 Minuten nicht übersteigen wird. Aber: Sie haben Paternoster im Wuppertaler Rathaus - Premiere für mich *hüpf rein, hüpf raus*.
Des weiteren: Päckchen nach Übersee dürfen sich nicht mehr Päckchen nennen, wenn die Kantenlängen des zu versendenden Objekts in der Summe mehr als 90 cm ergeben, wobei keine Seite länger als 60 cm sein darf. Sonst sind sie Pakete und kosten 37 Euro. Yeah.
Aber: Sämtliche Stürze in Unkosten sind auf der Stelle vergessen, wenn man beim 78. Check der Projektausgabengesamtberechnungsexceldatei endlich merkt, wo die 311,78 Euro geblieben sind, die man seit Tagen vermisst hatte. Darf man diesen Kostenpunkt halt nicht falsch als "Ausgang" etikettieren, sondern muss korrekt notieren, dass dies ein "Eingang" ist.
Puh. Schweiß trocknet wieder. Gehalt werde ich also nächsten Monat doch komplett überwiesen kriegen.

25 Juni 2007

Da rede ich mich nicht mehr raus

Heute beim Seiten-Korrektur-Lesen in der Redaktion.
Sagt Kollege C.: "Hier steht was von 'jungenlastig'. Wie schreibt man eigentlich jungenlastig?"
Ich: "Ach, das ist bestimmt so ein Fall für die neue Rechtschreibung mit 'geht beides'. Bestimmt schreibt man das eigentlich in zwei Wörtern, Jungen groß und dann lastig neues Wort und klein, aber nach meinem Geschmack würde ich es..."
Schaltet sich Kollege R. ein: "Nee, nee, nicht nach deinem Geschmack, sondern so wie es richtig ist!"
Ich: "Ja. Ich meine ja: Das ist sicher so ein Fall, wo beides geht. Entweder in zwei Wörtern, so nach dem Prinzip 'Energie sparend', wo auch 'Energie' groß und dann sparend - neues Wort, klein - geschrieben wird. Oder aber ein Wort und dann klein. Also energiesparend. So würde ich das - nach meinem Geschmack - am liebsten schreiben."
Kollege C. hat mittlerweile einen Duden zu Hilfe genommen: "Hihi. Ich finde hier nur 'schwanzlastig'."
Kollege R.: "Und, wie schreibt man das?"
C.: "Ein Wort und klein."
Ich: "Siehste! Ich sag ja, nach meinem Geschmack müsste man..."
C. und R. - gucken sich an und grinsen vielsagend: "So so. Schwanzlastig. Nach deinem Geschmack... Aha."
Manno! Ihr wisst doch genau, wie ich das gemeint habe!

24 Juni 2007

Hochzeitereien

Aus aktuellem Anlass ist mir klar geworden, dass sich auf meinem Weg zum Ziel "Gattin werden" nicht nur das Auffinden des entsprechenden menschlichen Gegenstücks als Aufgabe stellt. Nein, man muss auch bedenken, dass Hochzeitskleidschneider-Verträge gut dotiert sind (Ins-Haar-Steck-Krönchen kosten auch!), dass man einen Besen braucht (siehe Foto), um Blütenblätter vor dem Standesamt aufzufegen ("Liebe schmeißt nicht ständig Reis", singt der Herbert, aber Reis schmeißen ist hier sowieso verboten!), dass die maximale Parkzeit am Wall eine Stunde beträgt, eine Hochzeit in dieser Frist allerdings nicht vorbei ist, vor allem nicht, wenn man die Braut vorher zum Friseur begleitet hat, dass drei Brautmodenfachverkäuferinnen hibbeliger als eine Hühnerstange voll Federvieh sein können, dass man auch als Trauzeugin mit Vor-(!) und Zunamen unterschreiben muss, dass man beim nachtrauunglichen Mittagessen manchmal erst um halb vier das Essen auf dem Tisch stehen hat und dass ein Wasserschloss entgegen der seit diesem 21. Juni 2007 möglichen Annahmen seinen Namen nicht von dem Bindfaden-Katzen-Hunde-Dauerregen hat.
Aber ein Ereignis ist es schon, dieses Heiraten, a.k.a. "Gattin werden".

Frauenpower

Muss es mich eigentlich wundern, dass bei einer Veranstaltung zum Thema "Rotterdam 2001: Architektur und Inszenierung von Stadt als nachhaltige Strategie?" im Vorfeld der Kulturhauptstadt RUHR.2010 ganz selbstverständlich Frauen - junge Frauen! - das Mikro in die Hand nehmen, den Veranstaltungsabend anmoderieren und durchziehen (und zwar locker, souverän und professionell und ohne "ich bin ein bisschen aufgeregt, entschuldigen Sie daher, dass ich zu schnell spreche, meinen Text vergesse und hektische Flecken am Hals bekomme" (so wäre das übrigens zum Beispiel bei mir, d.Verf.)) dabei einer Frau danken, die sich das Ganze ausgedacht hat, dass später genauso viele Frauen wie Männer auf dem Podium sitzen und außerdem auch die Gesprächs- und Diskussionsanteile ziemlich gleichmäßig zwischen Frauen und Männern aufgeteilt sind? Könnte es sein, dass Architektur die Branche ist, die diese ganzen gender-mainstreaming-Hampeleien nicht nötig hat, Frauenquoten längst ins Reich der krampfigen, in den Köpfen überhaupt nichts ändernden Albernheiten verweisen konnte und sich damit erfreulicherweise allein der Sache an sich widmen kann?

Noch mehr TV-content

Ich kann ja Barbara Schöneberger nicht so gut leiden, aber dass sie sich nicht zu blöd ist, nach einer verlorenen Wette, die sie zum Ausmisten in den Stier-Stall genötigt hatte, die Gummistiefel anzulassen und sich ohne mit der Wimper zu zucken zu diversen malerisch aufs "Wetten, dass?"-Sofa drapierter Schönheiten (Liz Hurley und so) zu setzen, das hat meinen vollen Respekt.

Zum Thema Kamps

Heiner Kamps, also Gülcans zukünftiger Schwiegervater, backt übrigens nicht nur die größten Brötchen zwischen hier und Ostpreußen (das jahrhundertelang als die Kornkammer Deutschlands bezeichnet wurde, d.Verf.), sondern er ist auch noch der Bruder meiner ehemaligen Klassenlehrerin. Sebastian K. ist also der Neffe der Frau, die mir beibrachte, was Polly the parrot mit Colin und Linda anstellte, wenn the TV engineer vor der Tür stand und auch, wie Pinselstriche sich zu einem hübschen Kunstwerk addieren lassen.
Dummerweise macht das die Sache auch nicht besser, aber diese Info wollte ich nun doch nicht vorenthalten.

19 Juni 2007

Ganz nah am Untergang des Abendlandes

Ich wusste schon, warum ich heute den DVD-Rekorder die 20.15-Uhr-Sendung auf ProSieben habe aufzeichnen lassen, während sich das Sommerwetter viel besser für freiluftiges Inlineskaten eignete: Mit "Gülcans Traumhochzeit" (nur echt mit dem Almighurt-Erkennungs-Song) ist in Sachen Trash-Faktor ein würdiger Nachfolger für Germany's Next Topmodel gefunden. Der Plot: Brötchenbäckerimperiums-Erbe Sebastian Kamps, der, wie ich zu meinem Entsetzen feststellen musste, ausgerechnet in Wuppertal sein Abitur machte, dessen Vater und Unternehmensgründer Heiner Kamps mir aber schon allein wegen dieser Tatsache sympathisch ist: Konditor Kamps machte "Weiterbildungen zum Bäckermeister und Industriebackmeister in verschiedenen Orten Deutschlands, die er vor allem danach auswählte, wie gut er dort Wasserball spielen konnte" (Quelle: Wikipedia), heiratet VIVA-Moderatorin Gülcan Karahanci, und das Privatfernsehen ist für ein unerhebliches Sümmchen dabei.

Aber lassen wir Worte sprechen:
"Er sah so niedlich aus, wie 'n Hamster!" (Gülcan über Sebastians Heiratsantrag)

"Ich guck da so hoch und seh ... 'n Wasserflecken! Und ich denk: Was ist das denn?" - Äh, Gülcan, ein Wasserflecken vielleicht?!

"Weißt du, was man da braucht? N Wasserflecken-Experten? Oder n Kammerjäger?" (Gülcan zu ihrer zukünftigen Schwiegermutter Petra Kamps, von der sie sich "Gülci", sprich: Gültschie, rufen lässt)

Das ist ganz nah am Untergang des Abendlandes. Ebenso übrigens wie die nachfolgende Sendung: Das "We are Family!"-Special mit Barbara Becker und ihren Söhnen Noah und Elias, wo man sich eine geschlagene Stunde damit aufhielt, die Entstehung eines Baumhauses im Beckerschen Garten zu Miami zu begleiten und das Ganze zum Beispiel mit Berichten darüber, wie Noah Kochen lernt: "Schatz, du musst Power drücken!" (Mama Barbara zu Noah beim Pfannekuchenteigrühren), und anderen Unsäglichkeiten zu garnieren. Der Höhepunkt war erreicht, als die Prominachbarn von der Babs sich im Garten unterm Baumhaus versammeln und Barbara Becker zu einer Rede anhebt, die rührselige Brautväter und selbst Oscar-Gewinner nicht besser hingekriegt hätten: "Ich danke allen, die uns in den letzten Wochen so viel geholfen haben. Und ich danke meinen Kindern, dass sie so viel Geduld und Verständnis aufgebracht haben, bis dieses Baumhaus dann endlich fertig war."
Anmerkung: Es handelt sich um ein Baumhaus. Ein BAUMHAUS! Nur ein Baumhaus!

Sprichwörtlich

Es sagte die beste Bürokollegin der Welt, während wir an der Überarbeitung eines ziemlich theorielastigen Textes, der sich an Theoretiker wendet, sitzen: "Athen ist schon wegen Eulenüberfüllung geschlossen!"

Vorbeigeschossen

Es ist nicht geistiger Umnachtung zuzuschreiben, dass ich gestern Abend auf dem Rückweg von Recklinghausen auf der A43 nicht nur an der A2 vorbeigebraust bin, die mich nach Dortmund gebracht hätte (Variante A), auch die A42 links liegen gelassen habe, die mich per Variante B nach Hause geführt hätte, und schließlich die A40, die Heimkommens-Variante C bedeutet hätte, ignoriert habe und statt dessen erst über die A44 einen bescheuerten Umweg kleinen Abstecher übers Kreuz Dortmund/Witten genommen habe.
Nein, es lag auch nicht daran, dass ich (ja, mit Freisprecheinrichtung!) am Telefon über Phasen, in denen man besser ohne Wimperntusche aufzutragen aus dem Haus geht, geredet habe und übers Aufraffen und übers Kraft-Hernehmen. Herbert sagt dazu: "Kopf hoch - tanzen!", und ich sage: "Wer schreibt, der bleibt - glücklich." So einfach ist das, und so viel kann es ausmachen, wenn man den vermutlich nettestens finnischen Trainer einer Basketball-Pro-B-Mannschaft per E-Mail interviewt und dabei erfährt, wann er ins Sommerhaus fährt, warum sich Finnen bei Basketball-Spielen wie in der Kirche benehmen (O-Ton: "peace and quietly") und was er außer saurem Roggenbrot noch so in Deutschland vermisst. Und wenn man endlich mal wieder bei der definitiv sympathischsten Inlineskaterhockey-Mannschaft der zweiten Bundesliga Nord zu Gast ist - und das, obwohl sie unnötig 4:7 verloren hat, obwohl diese schwitzigen Schutzausrüstungs-Monster-Trikots schlimmer stinken als eine Iltisfarm kurz nach der Paarungszeit und obwohl nur Weniges eumeliger aussieht als Inlineskaterhockey-Spieler, die beim Weg auf die Ersatzbank ihren Mundschutz rausflitschen.

Auch schön

Das Angebot im Café & Bar Celona: "Zum Kuchen servieren wir Vanillesoße mit Flavour nach Wunsch."
Ähä? Ist Vanille nicht schon ein Flavour an sich? Besser gesagt: Ist Vanille nicht schon ein/e Geschmack/srichtung, ein Aroma? Versteh einer diese anglizisierte Welt.

18 Juni 2007

Den kannte ich noch nicht:

"Vertrauen von hier bis zur nächsten Glastür"

16 Juni 2007

Hochmütige Tipps einer neunmalklugen Besserwisserin

Muss das sein? Müsst ihr Gauturnfeste mit einem offiziellen Festakt eröffnen? Müsst ihr bei diesem Festakt sechs Grußwörter einplanen?
Nichts gegen Festakte, nichts gegen Grußworte, nichts gegen feierliche Eröffnungen.
Aber wenn die Aula des örtlichen Doppelgymnasiums voll ist mit turnenden Kindern, deren Trainern, Betreuern und Eltern, dann muss man sich nach dem Sinn eines solchen Festakts fragen.
Während die Akteure am Rednerpult Wort an Wort, Satz an Satz reihen, und das Publikum währenddessen in aller Seelenruhe nicht nur - und noch nicht mal im Flüsterton - quasselt, babbelt, redet, schwätzt, sich unterhält, sondern auch Stühle rückt, Kameras zückt und das Gerenne schlimmer ist als am Dortmunder Hauptbahnhof morgens um 7.45 Uhr - das schickt mir die blanke Wut in den Bauch.
Verständlich, dass es für die Eröffnung eines Turngaufestes einen festlichen Rahmen geben soll. Aber angesichts dieser Banausen, denen es noch nicht mal ansatzweise peinlich ist, sich mitten in der Rede der Bürgermeisterin zu erheben und dem Bekannten zwei Stuhlreihen weiter hinten "Tschüss dann. Und langweilt euch nicht zu sehr!", zuzurufen, muss man sich vielleicht überlegen, ob das die richtige Form ist. Offensichtlich ist diese unsere Gesellschaft eher auf Show- und visuelle Effekte abonniert - beim Schattenturn-Rahmenprogrammpunkt, bei der Vorführung der Taekwondo-Kämpfer des Ausrichter-Vereins und beim Auftritt der Cheerleader-Mädels war die Aufmerksamkeit ungleich höher.
Also: Entweder Show statt Reden - kann ja auch festlich sein - oder: Vielleicht müsste man die Blagen von heute einfach mal dazu bringen, dass sie es aushalten, mal eine Stunde still und ruhig zu sitzen. Das kann doch nicht so schwer sein. Wo soll denn das hinführen? Heutige Jugend... *kopfschüttel*. Allerdings: bei den Vorbildern - bei diesen heutigen Eltern/Betreuern/Trainern... *kopfschüttelnochmal*.

Ende der Aufregerei. Wochenende!

10 Juni 2007

Wir sind Bochum

Unvorstellbar eigentlich, dass es Leute gibt, die nicht zu einem Herbert-Konzert gehen wollen. Fast drei Stunden volle Power voraus. "Wunderschön" machte Herr Grönemeyer zum Wort des Abends, indem er es wohl an die Hundert Mal wiederholte. Wunderschön, Herbert, deine Quietscher und deine einzigartige Nuschel-Pronunciation - niemals war Textkenntnis wichtiger als beim Herbert-Grönemeyer-Konzert. Wunderschön, wie du herumhampelst und das tanzen nennst. Wunderschön, dieser erste Augenblick des Konzerts, wenn du den Steg in den Innenraum hinein wanderst und einfach die Massen um dich herum branden lässt. Wunderschön, wenn du dich für den Applaus bedankst und sagst: "Man ist ja doch immer sehr nervös, wenn man nach Hause kommt." Wunderschön, dass du die richtige Menge aus neuen, alten und Gassenhauer-Songs findest. Wunderschön, dass du bei "Alkohol" im Eifer des Gesangs die Textzeilen durcheinanderwürfelst: "Alkohol ist dein Sanitäter-Rettungsboot, Alkohol ist dein Fallschirm und dein Kopfsalat."

Wunderschön auch dein Humor über dich selbst, zum Beispiel, wenn du gegen Ende des Konzerts auf die Leinwand hinter der Bühne blickst, auf die Video-Aufnahmen des Konzerts (und mehr) übertragen werden: "Boah, wie seh' ich denn aus?" Wunderschön, wenn wir alle "Mensch" singen und du das Lied beendest, schon das nächste ("Bleibt alles anders") ankündigst, der Plan aber durchkreuzt wird, weil das Publikum auf Schalke lieber noch ein bisschen "Mensch" weitersingt - und du dann einstimmst. Wunderschön auch, wenn 60 000 Kehlen "Currywurst" brüllen.
Danke, Herbert.

07 Juni 2007

Wohlstandsvergnügen

Die besten Erdbeerbauern wohnen in Dortmund-Oespel, durfte ich heute feststellen.
Am späten Nachmittag beim Kaffeetrinken in der Stadt gedacht: "Mmmh, ist doch Erdbeerzeit. Und ich hatte noch kein einziges Mal Erdbeeren!" In Fulda war ich in solchen Fällen auf dem Rückweg von der Arbeit am Selbstpflücker-Erdbeerfeld zwischen Johannesberg und Bronnzell vorbeigefahren und hatte ein paar rote Früchtchen geerntet.
Ja, aber selber pflücken in der Großstadt Dortmund? Wo denn nur? Es gibt sicher nur wenige Fälle, in denen das Internet hilflos ist, aber dies ist einer. So etwas wie www.erdbeerenselbstpflueckenindortmund.de gibt es nicht.
Gut, dass es doch noch den einen oder anderen Bauern gibt, der gute, alte Zeitungsannoncen schaltet. So wie Bauer Schulze-Neuhoff, der unter anderem auf sein Feld an der Universitätsstraße in Dortmund-Oespel hinwies: "Erdbeeren zum Selberpflücken von 9.00 bis 19.00 Uhr". Auf die Uhr geguckt - 18 Uhr.
Kaffee ausgetrunken, nach Hause geeilt - 18.15 Uhr. Schnell radfahrtauglich umgezogen, Rad aus dem Keller geholt, Plastikdosen eingepackt, los - 18.30 Uhr. In die Pedale getreten, Tempo gemacht - 18.52 Uhr Ankunft am Felde. Was muss ich da lesen? "Letzter Pflückeinlass: 18.30 Uhr. Mindest-Pflückmenge: 2 kg." Der studentische Erdbeerfeld-Kassier-Helfer schüttelte bei meinem Anblick und dem unmittelbar denk- und erkennbaren Wunsch, noch pflücken zu wollen, den Kopf, während seine Kollegen mit dem Tages-Einnahmen-Zählen begannen. Aber sie hatten die Rechnung ohne ihren Boss, den Erdbeerbauern Knut Schulze-Neuhoff (nur echt mit zerschlissenem Strohhut) gemacht, der mich schon grinsend beobachtet hatte, wie ich hechelnd und vermutlich mit einem ebenso roten Kopf wie die Erdbeeren auf dem Feld hinter ihm mein Rad ankettete! "Dat Mädken is von so weit mitm Rad hergekomm'n", erklärt er seinen Helfern. "Lasst se ma' noch rinn!" Sprach's, nahm mir meine Tupperschüssel aus der Hand, wog sie taramäßig, und schickte mich in die Beeren: "Los, mijn Deern, da hinten in der Reihe kannst pflücken!"
Was soll ich sagen - ich war schneller fertig als der Mann BlauErdbeerpfannkuchen sagen konnte, hatte eine Schüssel wunderbar frischer, süßer, saftiger Erdbeeren gepflückt - und ließ es auf dem Rückweg auch nicht langsamer angehen. Einmal Erdbeere, immer Erdbeere.

P.S.: Ganz schönes Wohlstandsvergnügen, dieses Erdbeer-Selberpflücken, finde ich. Wenn man überlegt, dass das eigentlich gan normale, harte Feldarbeit ist. Und der moderne (Großstadt-)Mensch macht ein Freizeit-Event draus.

06 Juni 2007

Geografie-Asse

Sitze ich im ICE von Wuppertal nach Dortmund und dämmere wie üblich vor mich hin. Nebenan sitzt eine fröhliche Reisegruppe, die bester Laune unterwegs ist - nach Hannover, wie ihrer unüberhörbaren Konversation zu entnehmen ist.
Wir rattern in den Hagener Hauptbahnhof ein, und der Zugführer klärt uns dankenswerterweise über die hier auf uns wartenden Bahn-Verbindungen auf: "blabla... Regionalblabla über blabla nach Bottrop blabla..." "Bottrop!", ruft es da von nebenan. "In Bottrop ist doch..." "Dieser See?" "Nein, nicht der See, der ist ja in Haltern." (Da denke ich so bei mir: "Oha. Sie haben nicht unerhebliche Ortskenntnis - dafür, dass sie wohl aus Hannover kommen.") "Ja was denn?" "Na, dieses, Dings, Heinz, wie heißt das noch?" "Was denn?" "Diese Firma!" "Manufactum!" "Ja, richtig, Manufactum!" "Manufactum? Das ist doch in Waltrop, oder?" "Ja, eben, und Waltrop ist ja ein Ortsteil von Bottrop!"

Ich nehme alles zurück, was ich über die Ortskenntnis gesagt habe.

04 Juni 2007

Hochzeit auf Schwäbisch

Es ist eine Weisheit, die ist schon älter als der Muff unter den Talaren aller Lehrstuhlinhaber von hier bis Eichstätt: Wenn man ganz besonders gar keine Lust auf eine Party hat, dann wird die später extra-gut.
Die Situation: Es ist Wochenende, es ist der eine der drei Redakteure, die ich vertrete, im Urlaub, ein zweiter bummelt freie Tage ab, der als Ersatz bestellte Volontär ist ausnahmsweise wegen einer Hochzeit auch nicht da. Es ist KEL-Regatta, es ist letzter Spieltag der Fußball-Saison und noch drei A-West-Kreisligisten können Meister werden, es ist Badminton-Stauseecup, es ist Bogenschützen-Turnier, es ist Guido-Heiland-Bad-Volkslauf - mit anderen Worten: höllisch viel zu tun im Job und kein guter Tag, für die Hochzeit der Stieftante Schwester von Ralf nach Stuttgart zu reisen.
Aus oben genannten Gründen wurde aus geplanten zwei Tagen Aufenthalt und unter Berücksichtigung der Bedürfnisse eines ebenfalls homestay-willigen Bruders der Hochzeitsaufenthalt in Stuttgart verkürzt.
Aber - siehe ganz oben: Der Trip nach Ba-Wü wurde um ein Vielfaches erheiternder und erfreulicher als gedacht!
Schon die Hinfahrt erhielt einen erheblichen Mehr-Unterhaltungs-Wert durch die Katastrophenmeldung aus dem parallel gen Süden brausenden Auto unserer Eltern, die nach eineinhalb Stunden Fahrt feststellten, dass sie das Wichtigste überhaupt die drei Torten, die die Stief-Omma in mühevoller, tagelanger, schweißtreibender und alle konditorellen Kunstfertigkeiten erfordernder Klein- und Feinbäckerarbeit fabriziert hatte, vergessen hatten! Im Kühlschrank! Herrje! Blut, Schweiß, Tränen, Panik - aber nichts zu machen, denn selbst bei direkter Umkehr hätte man das Backwerk gerade noch als Mitternachtssnack in Stuttgart vernaschen können.
Um es kurz zu machen: Die Stief-Omma, die von dem Malheur erst Minuten vor Kaffeetafelanpfiff erfuhr, blieb trotz der Hiobsbotschaft erstaunlich cool, der beste Konditor am Platze machte das Geschäft seines Lebens der Woche - schließlich musste Ersatz her, und zwar schnell! Und zwar vom Feinsten! Und zwar as marzipanverziert as can be! - und die Kühltruhe zu Hause ist jetzt um einige Tausend Kilokalorien reicher.