04 August 2006

WAZ-blog, Teil 7: Von Bingo-Spielen und malenden Lehrerinnen

Paradiesische Zustände sind das ja, denen unsere Lehrerinnen und Lehrer in der Sprachschule ausgesetzt sind. Die alumnos oder estudiantes, also wir, sind aus völlig freien Stücken hierher gekommen, um zu lernen. Wo findet man das sonst, eine freiwillige Schulpflicht.

Zudem sind die Klassengrößen - wir sind sieben in unserem Kurs - so überschaubar, dass zum einen die Lehrer auf der Stelle alle Namen auswendig können - und, gemäß den Unterrichtsinhalten, auch, was jeder von uns zum Frühstück isst und wann er zu Bett geht (Lektion: Die Tageszeiten) - Suzie mag morgens “frutas y yogur y un cafe con leche”, Giugliana geht zu Bett, wenn auch ich den Fernseher ausknipse “normalmente, me acuesto a las once y media” -, wie wessen Vater aussieht und wessen Schwester gern welche Anziehsachen trägt (Lektion: Aussehen und Kleidung beschreiben), wer zu Fuß, wer mit dem Auto zur Arbeit fährt (Lektion: Die Verkehrsmittel).

Total langweilig

Lustig wird es, wenn wir anfangen, unsere Muttersprachen zu vergleichen. “Due pelle” - zwei Bälle - sagen die Italienerinnen abschätzig, wenn jemand total langweilig ist, und sie verweisen per Geste auf die männliche Körperregion hinter dem Jeans-Reißverschluss, in der diese zwei Bälle zu finden sind. Wir kichern und ich erzähle, dass das deutsche “tote Hose” wohl eine ähnliche Bedeutung trägt. Lewis und Sarah aus England zucken mit den Achseln. Ihre Sprache sei wohl nicht so einfallsreich und romantisch; dies alles würde man bei ihnen zu Hause mit “fuck off” zusammenfassen.

Stundenlanges Malen


Die Mini-Klassen bringen es aber auch mit sich, dass gewisse Eigenarten der Mitschüler auf der eine Seite, aber auch die der Lehrerinnen auf der anderen Seiten zutage treten und zur Kurzweil des Spanisch-Kurses beitragen: Über Sonia schmunzeln wir jedesmal, wenn sie zu Beginn einer Stunde minutenlang Kunstwerke an die Tafel malt, um die Bedeutung einiger Vokabeln deutlich zu machen - die manchmal schneller und einfacher und eindeutiger klar würden, wenn sie uns fix die englische Übersetzung gäbe. Ihre Kollegin Meritxell ist ernsthafter, lässt niemals eine Hausaufgabe unkorrigiert, aber sie hat Top-Tipps in der Hinterhand, wo man in Barcelona am besten zum Friseur geht, was man zu spanischen Hochzeiten anzieht - Kursteilnehmerin Suzie hat eine heiratende Freundin hier - und sie schafft es in ihrer ruhigen Art, die Unregelmäßigkeit einiger spanischer Verben doch halbwegs regelmäßig erscheinen zu lassen.
Methoden-Feuerwerk

Auch die Unterrichts-Methoden, die die Lehrerinnen uns angedeihen lassen, sind durchaus zahlreich. Und so viel Abwechslung war noch nicht, als ich damals die “richtige” Schulbank drückte (das Abitur habe ich trotzdem gekriegt, und dass der Lateinunterricht gut war und seinen Sinn hatte, merke ich jetzt, beim Spanisch-Lernen, einmal mehr): Mal arbeiten wir por parejas, paarweise, und radebrechen gegenseitig die Sätze vor uns hin, einmal kommt Lehrerin Sonia mit einem Gummiball in die Klasse und wir werfen uns das Ding zu, damit die gelernten Floskeln ein bisschen zügiger über die Lippen kommen.

Bingo und andere Spiele

Einmal bringt sie sogar ein Bingo-Spiel mit, als wir die Zahlen von 1 bis 100 erproben sollen. Sonia liebt auch Wettspiele: Wer schreibt am schnellsten und korrekt die von ihr an die Tafel gezeichneten Uhrzeiten auf? Wer kann fehlerfrei die Verben auf -ar durchkonjugieren?
Manchmal müssen wir allein vor uns hinschreiben, mal treten wir in zwei Gruppen Dialoge erfindenderweise gegeneinander an, mal muss jeder einen Satz eines langen Textes vorlesen, mal per Pantomime den anderen aus dem Kurs eine Vokabel vorspielen.

Die Streber-Bande

Mag sein, dass wir in unserem Kurs eine Streber-Bande sind. Aber während der zwei Wochen, die ich jetzt hier bin, hat nicht einer eine Stunde verpasst. Morgens um 9 sitzen wir meist noch vor den Lehrern in der Bank, und weder entschuldigt noch unentschuldigt hat bisher jemand gefehlt. Wohl ein einmaliges Erlebnis für Schul-Pädagogen: Als Lehrerin Meritxell heute vorsichtig anfragte, ob sie uns noch eine Hausaufgabe mehr übers Wochenende aufgeben kann, rührte sich keinerlei Widerstand. Statt dessen sind “sure, yes!”, “si, claro!” und “natürlich!” die Antwort.

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