03 Dezember 2007

Deutsche Weihnachts-Traditionen

Es begibt sich aber jedes Jahr an einem Sonntag vor Weihnachten, dass die Patenkinder meines Patenonkels plus die Pateneltern seiner Kinder plus die dazugehörigen Familien sowie Partnerinnen und Partner und ähnlicher Anhang sich zum so genannten "Patentreffen" versammeln.
Neben einem leckeren Brunch-Buffet gehört zu diesem Termin unverrüttbar das Absingen von Weihnachtsliedern. Neu Hinzukommende fremdeln bei diesem Programmpunkt gern mal ein wenig, Pubertierende fühlen sich eine Weile lang zu cool für derlei Bräuche, können aber auf Dauer nicht anders als mitzumachen, denn hier gilt das Prinzip: Mitgehangen, mitgesungen.

Regel Nummer 1:
Jeder wünscht ein Lied, wobei in der Wünsch-Reihenfolge entweder - wie bisher - nach Alter vorgegangen wurde; von Jung nach Alt Älter. Erlaubt sind - wie das diesjährige Treffen bewies und bewährte - auch Abweichungen, etwa das Wünschen nach Abfolge der Geburtstage im Jahresverlauf (also: die Januar-Geborenen wünschen vor den Februar-Geborenen). Schwierigkeit: Dreifach-Geburtstags-Ballung am 8. Mai. Auch das Hilfs-Kriterium "Ladies first" half hier nicht weiter - es waren drei Männer. Friedlich, wie es sich für Weihnachten gehört, einigte man sich so.

Regel Nummer 2: Die Liedhefte mit großer Schrift werden der Eltern-Generation vorbehalten. Die jungen Leute können sehr gut auch die 8-Punkt-Version lesen. Für alle gilt: Bei Ansage eines Liedes laut und deutlich den Titel und die Seitenzahl nennen. Die Liedhefte sind im Anschluss an das Sing-Happening wieder abzugeben und keinesfalls zu entwenden. Schließlich soll die Runde auch im kommenden Jahr noch funktionieren und der Ausrede "...kann die Texte nicht" von vornherein ein Riegel entgegengehalten werden können.

Regel Nummer 3:
Es werden stets sämtliche Strophen eines Liedes gesungen. Ja, auch dann, wenn einem bei "Es kommt ein Schiff geladen" schwer ums Herz wird und die Stimme in ungekannte Tiefen gedrückt wird. Und: Ja, auch wenn es elf Strophen sind, so wie bei der extended version von "Es ist für uns eine Zeit angekommen", die uns sage und stoppe 5:36'90 Minuten gekostet hat. Aber wer hätte sonst gedacht, dass es eine Strophe gibt, in der es heißt: "|: Es war kein Raum in der Herberg zu finden, es war kein Platz für arme Leut. :| In dem Stall bei Esel und Rind / kam zur Welt, kam zur Welt, / kam zur Welt das heilge Kind." Sehr schöne Liedgutstrophentextkenntnis-Erweiterung!

Regel Nummer 4:
Nach Möglichkeit sind die Weihnachtslieder klanglich zu untermalen. Dazu gehört das Dingeln einer Glocke bei "Jingle Bells", "Kling Glöckchen" o.ä. In Ermangelung von Glocken für jeden kann auch ein Kaffeelöffel vor das Sektglas ge-ping!-t werden oder die Kuchengabel auf den Teller gedongt werden. Besonders gern gesehen/gehört: Der Einsatz einer "Zweiten Stimme" (vgl. "...sti-hi-ll uuuund staaa-ruht däär Seeeee..."). Vor allem von der jüngeren, alberneren Generation praktiziert: Rap-Einschläge, etwa "Morgen kommt der Weihnachtsmann - kommt mit seinen Gaben - yo, man!" Auch gern zur musikalischen Dekoration eingestreut: "Hey"- und "Ho"-Rufe, etwa in "Go, tell it on the mountains".

Regel Nummer 5:
Der nötige, dem festlichen Anlass angemessene Ernst ist beizubehalten. Kindisches Kichern, etwa wegen des aus heutiger Sicht antiquiert oder gar grammatikalisch falsch erscheinenden "Wie soll dem Kind sein Name sein? Kyrieleison!" bei "Maria durch ein' Dornwald ging", ist zu unterlassen. Auch nach der Strophe "Was kriegt das Kind zum Patengeld? (...) Den Himmel und die ganze Welt, / Das kriegt das Kind zum Patengeld!" zu ergänzen "Oder vielleicht wenigstens n Lottoschein?" ist nicht für alle so lustig.

Regel Nummer 6: Neue Mitglieder in der Runde - diesmal: die Geschwister des in diesem Sommer mit der Gastgeberin verheirateten Ehemannes A. - sind dann besonders herzlich willkommen, wenn sie gesangliche Zusatz-Kompetenzen mitbringen. Diesmal wurde neu in den Kanon aufgenommen: "Wer klopfet an?" ("O zwei gar arme Leut! - Was wollt ihr dann? - O gebt uns Herberg heut!") - nur echt mit Männer-Frauen-Wechsel-Gesang und entsprechend insbrünstig-abweisenden Tonfall bei Versen wie "Nein, nein, nein, es kann nicht sein, / Da geht nur fort, ihr kommt nicht 'rein." oder "O öffnet uns das Haus! - Da wird nichts draus."

Regel Nummer 7: Richtig schwer ist gerade gut genug. Also: "In Dulci Jubilo" mindestens in der teils lateinischen, teils deutschen Version, besser noch in der komplett lateinischen: "In dulci iubilo / cantate domino / nostri cordis gaudium / in praesaepio / et fulget ut lux solis / in matris gremio..." Konzentration bitte auch bei der deutschen Version von "Jingle Bells": "...und jetzt geht's über den Bach, / ist das Eis auch nicht zu schwach / Doch das andre Ufer ist erreicht, / heute fühl'n wir uns so leicht. / Jingle Bell, Jingle Bells, heller Glockenklang..." (Und bitte dabei nicht ins Stolpern geraten!)

Regel Nummer 8: Ende der chormusikalischen Runde ist erst, wenn alle Stimmbänder durch sind, jeder einmal gewünscht hat und die Bescherungs-Geschenke schon von allein aus den Klappkisten und Körben hüpfen.

Keine Kommentare: