08 April 2007

Beerdigung auf Bretonisch

Klar, man kann einen massiven Eichenholzsarg nehmen, Hunderte von Euros teuren Grabgestecken nehmen, einen Pastor salbungsvolle Worte reden lassen und mit Sack und Pack über den Friedhof ziehen.
Man kann aber auch bretonisch beerdigen. Und das geht so:
Man trommele die gesamte Verwandtschaft sowie alle zu der Zeit in der Gegend urlaubenden Freunde zusammen. Checke dann, wenn man den Gezeitenkalender zuvor nur schlampig studiert und alle für elf Uhr eingeladen hat, am Tag der "Beerdigung" (die mehr eine Zerstreuung ist, und zwar auf einer nur bei Ebbe erreichbaren und sonst nur von Vögeln und Hasen bewohnten Insel namens Ile Canton) lieber noch mal genau, wann Ebbe und Flut ist und korrigiere dann ggfls. auf 14 Uhr. Um 14 Uhr reiche man Kaffee, Tee, Gâteaus, schicke die größeren Kinder schnell noch mal zum Klo und hülle die kleineren in ausreichend Fleecejacke und Halstücher. Dann begebe man sich zum Weststrand der Ile Grande, da wo der Campingplatz ist, und statte die tragfähigen Kinder mit bretonischen Flaggen aus (Foto).
Dann setzt man die Prozession in Marsch, immer gut darauf achtend, dass die Kinderwagen nicht im Watt absaufen und das die älteren Semester, die in normalen Schuhen zu der letzten Reise der zu Beerdigenden Verstreuenden M. aufgebrochen sind, beim Um-die-Priele-Tänzeln wenigstens die Schuhe ausziehen, so dass nur die Strumpfhosen gesalzwässert sind.
Hat man den Ort der letzten Ruhe erreicht, errechne man aus diversen Vollmondaufgehzeiten, dem letzten Hochwasserpegelstand, dem Koeffizienten des ersten Advents sowie der durchschnittlichen Windstärke am Todestag (oder so ähnlich) den Verstreuungsort. Dort werden die Flaggen in den Boden gerammt.
Als nächstes wird - "G., rede du!" "Nein, B., du sollst, du bist der Älteste!" "H., mach du doch!" - derjenige bestimmt, der ein paar andenkende Worte sprechen soll.Gefühlte Jahrzehnte Einige Minuten und diverse Ermahnungen in Richtung des Redners ("Du musst dich straffen!" "Komm jetzt mal endlich wieder auf Großmama zurück!") später endet diesen mit den Worten: "M. ist in ihrem Leben drei Dingen treu geblieben: zuallererst sich selbst, außerdem der Familie und immer auch ihrem Land - der Bretagne". Danach erneut kurze Ratlosigkeit und Ermittlung des nächsten Programmpunkts; einige Kinder haben es sich zu dem Zeitpunkt schon mal n bisschen bequemer gemacht (Foto).
Einer soll singen. Keiner will singen.
Gut, wird eben die Mundharmonika rausgeholt und schnell ein kleines zehn Minuten dauerndes Potpourri aus bretonischen Keltenmelodien, dem Lieblings-Schlager der Verstorbenen (deren Asche übrigens schon ein Jahr lang in der Urne (Foto) aufbewahrt wurde) und Beethovens Neunter zum Besten gegeben.
Nach einer weiteren Pause (Thema: Wer verstreut nun die Asche?), darf dann jeder mal in die Urne greifen (die sich in nebenstehend abgebildeten, samtbeschlagenen Karton befindet) und (glücklicherweise mit Rückenwind) die sterblichen Überreste über die Ile Canton verwehen lassen.
Hernach wird den Kindern der Staub aus den Gesichtern gewischt und durch das langsam weder mit der Flut voll laufende Wattenmeerbecken zurückmarschiert wird. Der Rest des Tages wird mit mehreren Flaschen Wein, mehreren Quiches, mehreren Krabbensalaten, mehreren Blechen Kuchen und mehreren Stangen Baguette verbracht.

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