30 Mai 2007

Is it painful?

Immer wieder erlebnisreich, so ein Pfingstwochenende en Bretagne. Zartbesaitete Seelchen sollten hier nicht weiterlesen, denn ich bin nicht umsonst dreimal fast parterre gegangen angesichts des unsachgemäßen Umgangs eines jungen Mannes mit Holzscheit und rostiger Axt. "Schwester!", rief es während eines verregneten Sonntags mit etwas wackligem Stimmchen von der Terrasse her, und einen halb entzwei gehackten Finger in die Luft (oberhalb des Herzens, ganz wichtig, alter Haufrauentipp, von schwäbischer Krankenschwester im Mietsapartment nebenan bestätigt) reckend, wankte mir mein Lieblingsbruder entgegen. Gut, wenn das vom Papa geerbte Auto einen flatschneuen und knackfrischen Verbandskasten enthält. Mit Hilfe eines weiteren, mitgereisten, krankenhausjoberprobten jungen Mannes war da schnell ein Druckverband angelegt, ein kalter Eistee brachte frische Farbe zurück ins Gesicht, und bald war der Plan gefasst, das örtliche Krankenhaus aufzusuchen.
Ja, nun, französische Behandlungsmethoden sehen in einem solchen Fall offensichtlich folgendes Procedere vor: Man nehme ein ausgewaschenes Joghurtglas, fülle es mit desinfizierender Flüssigkeit und weise den Patienten an, den lädierten Finger hineinzustecken, ihn eine Dreiviertelstunde darin zu baden und dadurch jegliches Gefühl abzutöten. Danach erst schicke man einen echten médecin, der gerade sein Assitstenzarztjahr absolviert. Dieser reinigt die Wunde dann gründlich ("ça pique!") und fragt dabei beständig nach: "Is it painful?", was heldenhaft verneint wird. Leichtes Zusammenzucken und geräuschvolles Einziehen der Luft zwischen den Zähnen deutet allerdings eher auf das Gegenteil hin.
Der sympathische Assistenzarzt mit der süßen Strubbelfrisur brave Mediziner weist danach eine Röntgenaufnahme an, erklärt, seinen Kollegen zusätzlich zu Rate ziehen zu wollen, dieser bestätigt, dass nicht etwa noch der Nerv in Mitleidenschaft gezogen wurde, und dann wird eine dicke Lage aus zewawischundwegartigen Tüchern auf dem Nachttischchen OP-Tisch ausgebreitet, eine blaue, saugfähige Unterlage aus der sterilen Hülle gelöst, Nicis Hand mit einem weiteren blauen Tuch umhüllt, die Schwester des Verunfallten darum gebeten, assistierenderweise das OP-Werkzeug anzureichen ("Don' tatsch se niedöll!"), und dann wird mit drei, vier Stichen zusammengenäht, was zusammengehörte. Tami-U.s, die nicht so gut Blut sehen können, gucken in solchen Momenten besser weg. Dass die Zewawischundweg-Lage anschließend durchgesuppt war und das Blut-Wundwasser-Desinfektionszeug-Mischmasch bis auf den Boden des Notaufnahme-Zimmers getropft war, reichte mir als Zeichen des konzentrierten Einsatzes des gewissenhaften Arztes.

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