17 Januar 2007

Bauz

Ich will mich nicht an Frau von der Leyens Füße heften und auch keinen weiteren Thread der ausgesaugten "Müssen/dürfen/wollen Akademikerinnen Kinder kriegen?"-Debatte aufmachen.
Ich will auch gerne milde darüber hinweglächeln, wenn mich das mit mir im Zugabteil sitzende dreikäsehohe Blag mit nur vom Luftholen unterbrochener Lärmsprechschreikulisse ("Papa guck mal, ein Zug!" Ach nee?! Ein Zug? Im Bahnhof Wuppertal-Oberbarmen? Wie kommt denn der da hin? - Es ist dem hier angesprochenenschrieenen Papa nicht so recht verübeln, dass er sich lieber mit seinesgleichen unterhält, als dieser - Achtung, Schenkelklopfer-Alarm - bahnbrechenden Beobachtung mehr Aufmerksamkeit zu schenken als nötig. "Papa, ein ZUUUUG!" Papa quatscht weiter. "PAAAAAPAAAAA!!! GUCK! DOCH!! MAL!!! EIN ZUUUUUUUUUUUUG!") äußerst unsanft daran erinnert, dass jetzt die Tageszeit angebrochen ist, in der man wach sein muss.
Aber: Kinderliebe und -wünsche hin oder her, manchmal ist einfach Schluss mit lustig und mit der Nachwuchs-Toleranz.
Heute auf der Rolltreppe im Elektronik-Kaufhaus stehe ich hinter einer dieser "Ich bring' Kind und Karriere nämlich doch unter einen Hut"-Mamis samt etwa 4-jähriger Tochter. Beim Auf-die-Rolltreppe-Treten denk' ich noch so: "Muss man auch erstmal lernen, als Kind: auf die Rolltreppe kommen und die Balance halten." Am Ende der Treppe war's dann doch passiert. Bauz, macht das Mädchen. Ich spule in Windeseile im Kopf die jetzt zur Auswahl stehenden Handlungsalternativen durch - Hechtsprung drüber hinweg Richtung Kaffeemaschinen-Regal, Nothalt auslösen, hysterisch nach dem Kaufhausdetektiv oder ähnlichem Hilfe-Personal rufen - und entscheide mich dann, die wenigen Quadratzentimenter zwischen Rolltreppen-Ende und gebauztem Kindelein für einen Nothalt meiner Person zu nutzen. Ich will gerade denken "Hey! Zielgerechter gelandet als damals beim silbernen Bundesjugendspielsportabzeichen in der dritten Klasse!", da raunzt mich die Mutter in Begleitung einer sprühend-zornigen Blicksalve an: "So geht das aber nicht!"
Häh? Wie meinen? Was geht so nicht? Die Benutzung von Rolltreppen ist kinderlosen Frauen erst erlaubt, wenn kinderhabende Frauen sicher eine Etage höher gelandet sind und eventuell "bauz" gemacht habende Kleinkinder von Schrammen, Schreck und Tränen befreit haben? Oder: Im Falle eines am Ende einer öffentlichen Rolltreppe fallenden Kindes sind nachfolgende Einzelpersonen dazu verpflichtet, ohne Rücksicht auf Leib, Leben und Flensburger Verkehrssünder-Kartei zum Rolltreppengeisterfahrer zu werden, auf dem Absatz kehrt zu machen und gegen den Roll-Strom wieder zurückzuwetzen, in der Hoffnung, schneller als die Elektronik zu sein und so verständnisvolle wie umsichtige und bewegliche Mit-Rolltreppenfahrer hinter, respektive dann vor sich zu haben? Oder wäre es genehmer gewesen, ich hätte mich gleich in Luft aufgelöst?
Nach der hat die wütende Mutter dann nämlich nur noch geschnappt. Aber auch nichts mehr zu sagen gewusst.
Herrje. Und da diskutieren sie sich die Köpfe heiß über kostenlose Kitaplätze oder Personalverstärkung für die Jugendämter. Bringt erstmal diesen Müttern bei, wie sie ihre Kinder vor bösen Rolltreppen-Attentäterinnen schützen.

P.S.: Ich will wirklich keinen weiteren Von-der-Leyen-Thread, aber ein ganz interessanter Beitrag zum Thema von Claudia Rusch findet sich im Chrismon 9/2006, der hier zitiert ist.

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