Die Gemeinsamkeit war allerdings schnell vorbei beziehungsweise sie beschränkte sich auf den Weg von der Sprachschule um sieben Blocks hin zum Museum für Moderne Kunst. Einige einführende Worte noch von unserer Lehrerin Meritxell, und dann waren wir allein unserem Schicksal überlassen. Das Schicksal hieß in diesem Fall George Brecht, Peter Friedl und “Vinil. Discs i caràtules d’artistes”, übersetzt etwa “Vinyl. Schallplatten und -Hüllen von Künstlern”.
Kunst??
Da stand ich nun und versuchte, die ausgestellten Installationen und Werke auf mich wirken zu lassen. Ganz schön schwierig bisweilen, denn das Gezeigte beinhaltete zum Beispiel eine Komposition aus einem Bierdeckel, auf dem “It’s all” steht, sowie darunter einer Pastillen-Dose, auf der “Mental” zu lesen ist. Oder einen weißen Stuhl, auf dem eine Küchenreibe (?) und ein Maßband (??) abgelegt waren. Oder einen überdimensionalen Neonleuchtschriftzug “Neue Straßenverkehrsordnung”. Ich möchte jetzt nicht mit der banausigen Frage kommen “Und das soll Kunst sein?”, denn im Prinzip finde ich Kunst unbedingt wichtig, interessant und fördernswert. Aber hier gebe ich unumwunden mangelnde Kenntnisse zu. Schön war’s in dem Museum trotzdem; ist immer gut, wenn der Geist ein wenig in Bewegung gerät, und das Gebäude an sich in seiner Großzügigkeit und in seiner lichtdurchfluteten, offenen Art, das hatte schon eine ganze Menge.
Bikini-Schnüre grüßen den Strand
Außerdem war allein die Beobachtung der anderen Museumsbesucher - vor allem eben unserer Gruppe - interessant genug: Da gibt es die, denen quer über die Stirn geschrieben steht: “Ich will eigentlich lieber an den Strand.” Notdürftig haben sie die Bikini-Schnüre unter ihren Sommertops verborgen, die Gummilatschen platschen deplatziert in die museale Stille hinein, und ihre nach unten hängenden Mundwinkel signalisieren deutlich die Unlust oder wahlweise die Verärgerung über denjenigen, der sie gegen ihren Willen in diesen Bau geschleppt hat.
Dann gibt es die, deren Gebaren uns sagen will: “Ich kenn mich aus. Ich weiß, dass Peter Friedl diese Installation für die Dokumenta X in Kassel erstellt hat. Und ihr nicht!”. Gemessenen Schrittes ziehen sie von Kunstwerk zu Kunstwerk, heben ab und zu bedeutungsschwanger die eine oder die andere Augenbraue und blättern zwischendurch nur kurz in dem kiloschweren Ausstellungskatalog. Nur deshalb natürlich, um nachzuschlagen, ob George Brechts erste Ausstellung in dieser New Yorker Galerie nun im April oder im Mai 1959 war.
Meine beste Freundin, die Digitalkamera
Dann gibt es eine etwas unangenehme Spezies: ihr wichtigstes Utensil ist die Kamera. Sie pätschen das Objektiv ihrer Digitalen direkt an die Scheiben der Schaukästen (die Aufnahmen werden bestimmt super), sie lassen sich von ihren Freunden vor den Kunstwerken ablichten, die am buntesten sind, und sie nerven andere damit, dass sie ihnen vorwurfsvolle Blicke zuwerfen, wenn sie aus Versehen die Frechheit besitzen, in ihre minutenlange Videoaufnahme der Kleiderständer-neben-Abstelltischchen-Installation im ersten Stock der Ausstellung reinzulatschen.
Besser das Art-Abo
Ich selbst übrigens würde mich in die Gruppe derjenigen einreihen, die besser daran getan hätten, irgendwann einmal ein Abo des Kunstmagazins “Art” zu ordern. Die sich jedesmal in solchen Museen neu vornehmen, das Feuilleton der Tageszeitung aufmerksamer zu lesen. Die vielleicht Anfang Juli, vor der Barcelona-Abreise, doch mal auf einen Freibad-Nachmittag hätten verzichten sollen und statt dessen die Caspar-David-Friedrich-Ausstellung in Essen besucht hätten.
Morgen Picasso
Morgen übrigens finden Sie mich im Picasso-Museum. Und danach in der “Fundacio Joan Miró”. Und wenn die Zeit noch reicht, im “Museu Futbol Club Barcelona”. Okay - vielleicht sehe ich aber schon nach Picasso ein, dass ich den Mund etwas zu voll genommen habe.
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