08 August 2006

WAZ-blog, Teil 9: The Champion is catalan

"Los catalanes dan las gracias a los jugadores de Argentina, Brasil, México, Camerún, España, Francia, Holanda...” steht auf einem nachgeahmten Zeitungs-Ausriss, und darunter: “The Champion is catalan”. image Eine solche Postkarte fiel mir neulich beim Schlendern durch Barcelonas Viertel El Born in die Hände. Mit der Fußball-WM im Hinterkopf ist dieser Scherz - “Die Katalanen sagen den Spielern von Argentinien, Brasilien… danke” - auch für Nicht-Katalanen verständlich.


Das Thema der katalonischen Identität - Katalonien ist eine Autonome Gemeinschaft mit eigenem Parlament; während des Franco-Regimes war die Sprache und die Kultur verboten -, so habe ich nach knapp drei Wochen festgestellt, ist hier zwar überall präsent, aber auf eine sehr dezente Art und Weise und so, dass derjenige, der sich nicht konkret danach umschaut oder der sich nur an der touristischen Oberfläche durch Barcelona bewegt, nicht unbedingt drauf aufmerksam oder mit der Nase drauf gestoßen wird.
Gut, es kommt vor, dass unsere Lehrerin Sonia - gefragt, was dieses oder jenes auf Spanisch heißt, im ersten Reflex etwas an die Tafel schreibt, dann aber plötzlich mit den Worten: “Ah, no, es catalán!” zum Wischlappen greift, sich an die Stirn schlägt und das - für uns, die Spanisch-Lernenden - korrekte Wort notiert. Straßennamen sind hier ohnehin gänzlich katalanisch. Die Mega-Schneise durch “Barça”, wie die Katalanen ihre Hauptstadt nennen, ist nicht, wie sie wohl im Rest des Landes genannt würde, die Avenida Diagonal, sondern die Avinguda Diagonal.

Belegte Brote

Und wenn wir Sprachschüler mittags auf die Schnell ein Bocadillo, ein belegtes Brötchen, haben wollen, gehen wir um die Ecke zu “Pans”, einer katalanischen Belegte-Brote-Kette mit Filialen an jeder Ecke der Stadt, müssen uns da aber mit den katalanischen Bezeichnungen anfreunden oder abfinden. Tallet" heißt hier der kleine Kaffee mit Milch, den das übrige Spanien cortado nennt.
“If it’s got a lot of ‘x’es in it, then it’s catalan!”, brachte es mein Mitschüler Lewis auf den Punkt, wenn wir manchmal - in der Metro-Station, auf Speisekarten oder sonstwo - auf Sprachbrocken stießen, die wir nicht auf Anhieb entziffern konnten und nicht wussten, ist das nun, weil wir einfach noch nicht genug Spanisch können oder eben, weil das hier gar nicht Spanisch ist, sondern Katalanisch. Denn die - übrigens völlig eigenständige Sprache; das ist kein Dialekt - Katalanisch hat tatsächlich viele ‘x’-e und auch viele ‘au’-s und ‘eu’-s im Sprachbild. “Bitllet, si us plau” steht zum Beispiel im Display am Drehkreuz zum Bahnsteig, wo wir das Ticket reinschieben muss, um passieren zu können. Und “L’Eixample” heißt der Stadtteil, in dem wir wohnen.
Jede Buchhandlung hat ganz selbstverständlich eine Ecke mit katalanischsprachigen Büchern - aber es ist eben eine Ecke, und der Rest ist voll mit spanischen.

Dass ein gewisser Nationalstolz vorhanden ist, zeigt sich aber - einmal mehr beim Fußball. Der FC Barcelona hat keinen Haupt-Trikotsponsor - weil er sich als eine Art katalanisches Nationalteam begreift. Was hinzu kommt: Hier in dieser Stadt, in der fast vier Millionen Menschen, leben, mixen sich die, die hier geboren sind, mit denen, die aus Sevilla, aus Cadiz, aus Santander und aus sonstwelchen Ecken des Landes zugezogen sind und daher mit dem Katalanischen auch nicht viel anfangen können. “Im Freundeskreis sprechen wir grundsäetzlich Spanisch”, schüttelt beispielsweise der Postkarten-Verkäufer den Kopf, als ich ihn auf die Katalanisch-Frage anspreche.

Vermessen

Ein abschließendes Urteil darüber, wie genau der katalanische Nationalstolz ausgeprägt ist, darüber möchte ich mir kein Urteil erlauben. Nach nur drei Wochen, noch dazu drei Wochen, in denen die Gehirnzellen vornehmlich mit spanischen Vokabeln, dem regelmäßigen Auftragen von Sonnencreme, den korrekten Zugverbindungen zum Kloster Montserrat und Eintrittspreisen zum Mies-van-der-Rohe-Pavillon beschäftigt sind, auch noch einen hinreichenden Einblick in die Mentalität und die Seele der Menschen hier fällen zu wollen, wäre nach meinem Dafürhalten vermessen.
Fest steht jedoch: Barcelona ist vor allem international. Hier sind so viele Menschen aus aller Welt, dass der Unterschied Katalanisch - Spanisch (oder korrekter: Kastilisch, castellano, ‘Hochspanisch’) gar nicht so sehr ins Gewicht fällt. Barcelona ist weltoffen - auch wenn zugegebenermaßen eine Stadt, in die so viele Euros aus Touristen-Portemonnaies fließen, das aus reinem Eigennutz auch sein muss.

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